Ich würde nie gegen ein Land sprechen...
IM KINO / VOR DER MORGENRÖTE
10/06/16 Endstation Brasilien. Stefan Zweig verbrachte seine letzten Lebensjahre im Exil in einem Land, an dessen Schönheit er sich nicht satt sehen konnte. Sein Glück fand er trotzdem nicht. Maria Schrader hat darüber einen Film gemacht. Ein Porträt eines Mannes, der versucht mit seiner Herkunft und dem Zeitgeschehen umzugehen.
Von Larissa Schütz
Man fühlt sich leicht an Zweigs „Sternstunden der Menschheit“ erinnert, wenn man sich die Aufteilung des Films einmal genauer anschaut. Es sind einzelne, freistehende Kapitel, die jeweils ein bestimmtes Ereignis aus Zweigs letzten Lebensjahren aufgreifen. Beispielsweise den P.E.N.-Kongress 1936 Buenos Aires. Der Autor wird von den Journalisten bedrängt, doch endlich eine Aussage über Deutschland zu machen. Doch er weigert sich. „Ich werde nicht gegen Deutschland sprechen. Ich würde nie gegen ein Land sprechen. Und ich mache keine Ausnahme“, gibt er den Reportern kontra.
Nun zur Frage aller Fragen: Wie setzt Josef Hader diese zerrissene Figur um? Viel wurde im Voraus gesagt und sogar die Regisseurin Maria Schrader erzählt bei der Premiere im anschließenden Gespräch, dass es einige Stimmen im Team gab, die die Wahl Haders als riskant befunden hatten. Doch man wird recht bald von Gegenteil überzeugt. Hader ist eben nicht nur der ewige Brenner, sondern beweist viel Feingefühl bei seiner Darstellung Stefan Zweigs. Auf der einen Seite ist er glücklich und dankbar dafür, so gut im Exil angekommen zu sein. Doch andererseits kann er die Heimat nicht loslassen. Zu sehr ist er noch konfrontiert mit den Geschehnissen und auch die zahlreichen Briefe, in denen Bekannte um Fluchthilfe bitten tun ihr übriges, um Zweig einfach nicht zur Ruhe kommen zu lassen. An diesem Zwiespalt wird er letztlich zerschellen. Und Hader, der setzt ganz gezielte emotionale Regungen und gibt seiner Darstellung damit die Würze. Das schönste Beispiel ist eine Szene im Dschungel. Eine Blaskapelle spielt zu Zweigs Ehren eine eigene Version des Donauwalzers, Haders, bzw. Zweigs Augen sprechen dabei Bände.
Auch Aenna Schwarz als Lotte Zweig ist großartig besetzt. Auch sie ist getrieben von der Ungewissheit und den Gedanken ihres Mannes.
Außer für Zweig-Fans ist der Film auch etwas für Freunde der Kamerakunst. Sowohl die erste als auch die letzte Szene ist eine ca. siebenminütige Plansequenz (Kamera: Wolfgang Thaler), also ganz ohne Schnitt. Wer am Anfang genau hinschaut, der entdeckt in der Szene sogar Klemens Renoldner, den Direktor des Stefan Zweig Centers in Salzburg. Es gibt tatsächlich mehrere solcher langen Momente, doch nicht alle sind der Geschichte zuträglich. An manchen Stellen erinnert der Film aufgrund seiner schier endlosen Landschaftseindrücken eher an eine Dokumentation, denn an einen Spielfilm.
Zweig war zwar vor den tatsächlichen Ereignissen des Krieges tausende Kilometer entfernt in Sicherheit, in seinem Kopf konnte er sich allerdings nicht davor verstecken. Und das rückt das historische Porträt letztlich doch ein Stück in die Aktualität hinein. Man denke an die vielen syrischen Flüchtlinge. Zweigs Gedanken sind ihnen vermutlich nicht fremd, aber das ist ein anderes Thema.