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Unbequeme Fragen erzeugen Verstörung

FILMKRITIK / "MICHAEL"

13/09/11 Michael ist ein stinknormaler, unauffälliger Mann mittleren Alters. Er lebt zusammen mit dem 10jährigen Wolfgang in einem biederen Reihenhaus am Rande von Wien. Sie sehen sich "Herr der Ringe" im Fernsehen an, bauen Puzzles zusammen und schmücken gemeinsam den Weihnachtsbaum. Alles wenig aufregend - wäre da nicht die Tatsache dass Michael nicht der Vater von Wolfgang ist...

VON ANDREAS ÖTTL

Michael könnte natürlich auch Wolfgang P. heißen und Wolfgang auch Natascha. Doch nicht nur aufgrund der Anspielungen auf den Fall Kampusch ist "Michael" ein typisch österreichischer Film. Einer aus jenem "Genre", welches hierzulande gerne als Sozialporno beschimpft wird, während es im Ausland aufgrund der realistischen, reduzierten Schilderung von Alltagsmomenten und der Bereitschaft, kontroverse Themen anzugehen, hohe Wertschätzung erhält. Das Regiedebüt von Casting-Director Markus Schleinzer hat es gar auf Anhieb in den prestigeträchtigen Wettbewerb von Cannes geschafft. Niemand geringerer als Michael Haneke hat seinen ehemaligen Mitarbeiter zum Schreiben des Drehbuchs ermuntert. Die Parallelen zum Mentor sind auch nicht von der Hand zu weisen, zu dessen Meisterschaft fehlt aber dann doch noch einiges.

Dies trifft vor allem auf die Inszenierung und die psychologische Tiefe zu. Auch die Dialoge und Situationen im Film sind nicht immer glaubwürdig - etwa wenn die Kellnerin im Skiurlaub ausgerechnet am schüchternen und wenig attraktiven Michael Gefallen findet. Dennoch ist "Michael" ein beachtenswerter Film. Vor allem, da der Täter nicht lediglich als Psychopath dargestellt wird, sondern als pädophil veranlagter Durchschnittsbürger. Michael Fuith ist dabei die Idealbesetzung - seine mutige Darstellung trägt den Film. Trotz der mangelnden Sympathie wird sich der eine oder andere Kinobesucher in der quälenden Einsamkeit seiner Figur wieder finden und sich mit seinen eigenen unerfüllten Sehnsüchten konfrontiert sehen. In der Beziehung zwischen Opfer und Täter wird das Alltägliche betont. Wie es zu der Entführung gekommen ist, erfahren wir nicht und auch der sexuelle Missbrauch wird nur angedeutet. Überhaupt spielt sich vieles im Kopf des Zusehers ab, was den Film aber nur noch beklemmender macht. Die langen Einstellungen, die monotonen Situationen, die statische Kamera und die harten Schnitte tragen ihren Teil dazu bei, dass der Film für einen alles andere als unterhaltsamen Kinoabend sorgt.

"Michael" ist ein verstörender Film, der unbequeme Fragen stellt und mehr ist als nur das Porträt eines Pädophilen. Der Täter wird - sieht man von seinen Neigungen ab - als Mensch wie du und ich entlarvt. Seine aufgestaute Frustration macht deutlich, dass wir alle zwar eine Zeit lang mit Lügen und verdrängten Gefühlen leben können. Früher oder später aber müssen wir uns ihnen stellen...

Zu sehen derzeit im Mozartkino.

 

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