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Künstler mit Vollkasko-Versicherung?

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

11/12/23 Das Thema fair pay ist derzeit in aller Munde. Vor allem für die freie Kulturszene ist gerechte Entlohnung eine überlebensnotwendige Voraussetzung. Aber gilt der fair pay-Anspruch auch für Festspielkünstler?

Es ist allerhöchste Zeit, dass Kommunen, Länder und der Bund in Richtung faire Entlohnung für Kulturschaffende tätig werden. Es hat in den letzten Jahren schöne Fortschritte gegeben, vor allem für Menschen, die in Kulturinstitutionen angestellt sind. Ein eigenes – und bisher ungelöstes – Thema sind die tatsächlich freischaffenden Künstlerinnen und Künstler. Wie abgrenzen zwischen „echten“ Kulturschaffenden und solchen, für die künstlerische Betätigung mehr oder weniger Nebenbeschäftigung ist? Wer getraut sich da schon, Definitionslinien zu ziehen?

Wieder ein ganz anderes Thema sind Künstlerinnen und Künstler, die bei den Festspielen auftreten. Jene Klagewelle, die derzeit den Festspielen entgegen schwappt, hat nur sehr am Rande mit fair pay zu tun, viel eher mit gekränkter Eitelkeit und einer Vollkasko-Mentalität, die auch in Künstlerkreisen nicht erst in Corona-Zeiten um sich gegriffen hat.

Müssen einem Michael Maertens und die Belegschaft vom vorigjährigen Jedermann wirklich so furchtbar leid tun, weil sie im kommenden Festspielsommer nicht mehr beschäftigt werden? Der größte Teil von ihnen trägt höchst prominente Namen. Diese Schauspieler müssen um Engagements nicht fürchten. Keiner aus dem Jedermann-Ensemble wird im kommenden Sommer in wirtschaftliche Nöte kommen.

Wolfgang Ablinger-Sperrhacke (übrigens in Zell am See geboren und an der Wiener Musikuniversität ausgebildet) ist gut unterwegs als Charaktertenor mit vielen internationalen Verpflichtungen. Seit 2021 ist er Bayerischer Kammersänger, zudem hat er im Vorjahr den Titel Chevalier de l'ordre des Arts et des Lettres und das österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst bekommen. Ist es ihm hoch anzurechnen, dass er sich jetzt für weniger prominente Sängerkollegen, die Vokalisten im Wiener Staatsopernchor, stark macht? Das sind fest angestellte Berufschorsänger. Freilich verdienen sie im Opernchor nicht goldene Nasen, und das sommerliche Zubrot bei den Festspielen darf man ihnen nicht neiden. Aber auch ihre wirtschaftliche Situation ist ungleich besser als jene von Künstlern in der freien Szene, von denen nicht wenige in der Corona-Zeit tatsächlich am Rande des Ruins standen.

Aus der Stellungnahme der Festspiele: „Der Sommer 2020 war für alle Beteiligten eine große Herausforderung, verbunden mit Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte und der menschlichen Freiheit.  Das Direktorium der Salzburger Festspiele hat gemeinsam mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen schwersten Zeiten ein weltweites Signal für die Kunst und Kultur gesetzt.“

Das kann man ein wenig pathetisch nennen, aber es stimmt schon: Hätten die Festspiele so wie viele andere Kulturveranstalter schlicht und einfach dicht gemacht, müssten sie sich jetzt nicht herumschlagen mit vermeintlichen Ansprüchen von Künstlern, die auch sonst leer ausgegangen wären.

Zur Hintergrund-Geschichte Die Klagemauer setzt sich in Bewegung
Zur Dokumentation Das Statement der Festspiele

 

 

 

 

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