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Diesmal siegt die Tugend

REST DER WELT / WIEN / POPPEA

14/10/15 Eigentlich macht Claus Guth bei seiner Inszenierung von Monteverdis „Krönung der Poppea“ im Theater an der Wien ziemlich viel falsch. Er nimmt die Geschichte um Kaiser Nerone und seine gefährliche Geliebte Poppea nicht wirklich ernst und verlagert die Handlung in eine merkwürdige Gegenwart.

Von Jörn Florian Fuchs

Zudem arbeitet er mit seinen sattsam bekannten Stilmitteln, wie einem weiße Federn streuenden Amor oder der sich ständig drehenden Bühne. Und dennoch funktioniert Guths Ideenmischung auf zwar schräge, aber wundersame Weise. Der Reihe nach: Zu Beginn sehen und hören wir drei allegorische Figuren, die im Rahmen einer Quizshow miteinander streiten, wer am Ende wohl recht behalten wird. Schicksal, Tugend und der von Countertenor Jake Arditti mit himmlischen Höhen gesungene Liebesgott Amor kämpfen um die Macht über den Kaiser und seine Mätresse.

In die hier reichlich surreal überhöhte Atmosphäre schiebt Claus Guth immer wieder sehr gegenwärtige Bilder, Nerones Noch-Gattin Ottavia wirkt wie eine abgelebte Hollywood-Diva und lungert alkoholisiert auf dem Flügel herum – Jennifer Larmore macht das hinreißend.

Wie in einem Krimi entwickelt sich die Geschichte, mit teilweise sehr derben Momenten. Nachdem sich der ewig moralisierende Philosoph Seneca (fulminant: Franz-Josef Selig) in einer Wanne das Leben genommen hat, trinken Nerone und sein Freund Lucano blutgefärbtes Badewasser aus Sektkelchen und feiern die Dekadenz. Das geht so weit, dass Nerone Lucano an die Wäsche geht und Poppea für einen Moment zu vergessen scheint. Beeindruckend, wie Valer Sabadus hier den emotional und sexuell zerrissenen Herrscher spielt und mit glasklarer, wahrhaft zwischengeschlechtlicher Counterstimme singt.

Wie bei seinem Salzburger Festspiel-„Fidelio“ vom vergangenen Sommer greift Claus Guth auch in die „Poppea“ musikalisch ein, die Rezitative werden durch dissonant schraffierte, elektronische Klangflächen ergänzt. Und die Musiker des Ensemble Matheus liefern ebenfalls etliche unbarockige, sperrige Zwischentöne. Was beim „Fidelio“ floppte, funktioniert hier jedoch perfekt. Ständig werden neue, ungewohnte Stimmungen generiert, mal als Brücke zwischen zwei Nummern, mal rein atmosphärisch. Dirigent Jean-Christophe Spinosi hält die musikalischen Fäden in seinem durch Blechraritäten wie Zinken oder Zymbal verstärkten Orchester gut zusammen, die Koordination mit den Sängern könnte allerdings etwas besser sein. Alex Pendas Poppea strahlt immense körperliche Erotik aus, auch stimmlich überzeugt die bulgarische Sopranistin, mit viel Volumen und gleißend präsenten Spitzen.

Monteverdi gönnt seinen Opernhelden ein friedliches, aber unmoralisches Finale: Nerone und Poppea heiraten, Ottavia geht ins Exil. Claus Guth lässt indes Amor nicht triumphieren, in einem Moment existentieller Verzweiflung und Klarheit erschießt Nerone seine frisch angetraute Gattin, danach sich selbst. Stockend, unendlich langsam vertröpfelt die Musik. Dies ist ein ergreifender und starker Schluss einer konsequenten, starken Inszenierung.

Aufführungen bis 23. Oktober – www.theater-wien.at
Bilder: Theater an der Wien / Monika Rittershaus

 

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