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Es ist eine schlechte Zeit für Gefühle

REST DER WELT / GRAZ / KATZELMACHER

End-Teenies anno 1968 – Gärkraft pur, junge Menschen im Sog jenes Strudels, von dem bald neue, befreiende Weltanschauungen frei gespült werden? Überhaupt keine Rede davon in Rainer Werner Fassbinders Schauspiel „Katzelmacher“ aus eben diesem Jahr.

Von Reinhard Kriechbaum

200Rainer Werner Fassbinder hat damals eine Gruppe von Jugendlichen vorgeführt, die mit trübem Blick in eine nebelverhangene Zukunft blicken. Depressiv und aggressiv (beides Kehrseiten einer Medaille), bereitwillig resignierend allemal. Das muss durchaus greifbar gewesen sein als Zeitstimmung, denn Fassbinder hat mit „Katzelmacher“ seinerzeit gehörig Aufsehen gemacht: Das Stück wurde noch im selben Jahr mit dem Gerhart Hauptmann Preis ausgezeichnet und markierte mit der 1969 entstandenen Verfilmung seinen kraftvollen Start in die Filmwelt.

Das Institut Schauspiel der Kunstuniversität Graz zeigt, dass das Stück so heutig wie nur ist. Da hängen die jungen Leute also herum, vor einer weißen Wand mit Sitzstufe, aufgefädelt wie in einer Reihe und doch untereinander verheddert in absonderlichen Beziehungsschlingen. Alle leben sie ihre Defizite, ihr kleines Paar-Unglück: „Eine Ehe ist schon was, eine Regelmäßigkeit ist nicht zu verachten.“ Irgendwo draußen in der Welt, und sei es im vierzig Kilometer entfernten München – dort mag es lauern, das Glück, das nicht recht zu denken ist. Aber: „Es ist eine schlechte Zeit für Gefühle … glaub ich.“

In diesen Smog der grauen No-Future kommt Jorgos. „Ein Pole“, sind sich alle rasch einig, doch es ist „ein Griech aus Griechenland“. Prädestiniert als Feindbild, und das umso mehr, nachdem die Romantik-anfällige Marie mit wehenden Fahnen zu ihm überläuft. „In Griechenland ist alles anders“, wird sie trotzig auch noch sagen, nachdem Jorgos den Fremdenhass körperlich zu spüren bekommen hat.

201Die Regisseurin Nina Mattenklotz hat mit einem ambitionierten Studententrüppchen nicht herumdoktern müssen an Fassbinders Text. Da passt einfach alles auf die Situation unserer Jugend. Und die Griechen sind auch nicht beliebter geworden.

Mit den Fassbinder-typischen Satzgebilden – „Ich fürcht mich, weil von niemandem nichts Gutes nicht kommt“ – findet sich das Ensemble wie selbstverständlich zurecht, auch das eine Stärke der Produktion, die so gar nicht vordergründig belehren will, sondern sich guten Muts an Fassbinders Diktum ausrichtet: Man muss zumindest versuchen zu beschreiben, was man nicht verändern kann.“

Sieht so aus, dass man an der Grazer Kunstuniversität auch im Fach Theatermusik gut aufgehoben ist, bei Sandy Lopicic. Er sitzt mit drei Studenten mitten unter den Schauspielern, es wird interagiert, und mit wenigen Harmoniepatterns arbeitet man ein Maximum an Stimmung heraus. Ein Sirtaki zwischendurch hat sich gewaschen, aber da ist es noch nicht so weit, dass die Sache in pure Aggression ausartet gegen den Arbeitsmigranten, der plötzlich zum Feindbild stilisiert wird.

Obwohl sie vielleicht noch ein bisschen zu heftig aufdrehen, wenn Emotion angesagt ist: Ganz unprätentiös zeichnet Nina Mattenklotz Mädchen und Jungs, die so an der nächsten Straßenecke herumstehen könnten. Vor denen muss man sich nicht fürchten – eher jede und jeder Einzelne von ihnen vor sich selbst. In stenogrammartigen Szenen wird das Zagen und Zaudern, das plötzlich in unkontrollierten Zorn führt, glaubwürdig umgesetzt. Aber jede und jeder im achtköpfigen Ensemble – es wäre ungerecht, einzelne hervorzuheben – steht auch für eine gesunde Portion Liebenswürdigkeit. Irgendwie täte man all die Hilflosen gern bei der Hand nehmen und auf bessere Lebenspfade führen. So einem denn selbst der Weg dorthin einfiele.

Aufführungen bis 26. März auf der Probebühne des Grazer Schauspielhauses – www.schauspielhaus-graz.com; www.kug-schauspiel.at
Bilder: KUG / Alexander Wenzel

 

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