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Morgen wird die Sonne wieder scheinen

LIEDERABEND / SCHUEN / HEIDE

15/12/23 Toben. Jubeln, Trampeln. Kollektiv angehaltener Atem. Zugaben und Ovationen... Der Liederabend ist tot, heißt es. Liegt es vielleicht daran, dass der Liederabend – etwa in Salzburg – außerhalb der Festspiele nicht mehr veranstaltet wird? Andrè Schuen und sein Klavierpartner Daniel Heide feierten in Graz einen Triumph mit Liedern von Mahler und Schubert.

Von Heidemarie Klabacher

Der Stefaniensaal im Grazer Congress hat 1050 Sitzplätze. Diese waren beim Liederabend von Andrè Schuen und seinem Klavierpartner Daniel Heide so gut wie belegt – von einem konzentrierten Publikum, dem erst ganz gegen Ende ein paar vereinzelte Huster ausgekommen sind. Die meisten von ihnen werden Abonnenten sein: Der Musikverein für Steiermark veranstaltet im Stefaniensaal neben Orchester-, Kammer- und Solistenkonzerten seit jeher auch einen Liederabend-Zyklus. Die Tradition ist, anders als bei der Stiftung im Großen Saal des Mozarteums, nicht abgerissen. Drum ist auch das Publikum heute noch da. Sollte es so einfach sein?

Andrè Schuen und Daniel Heide gestalteten am Donnerstag (14.12.) den ersten Liederabend der aktuellen Spielzeit. 2024 folgen Klaus Florian Vogt und Jobst Schneiderat (Schöne Müllerin), Patricia Nolz und Malcolm Martineau (Schubert und Brahms), Camilla Nylund und Helmut Deutsch (Korngold bis Berg) sowie Lisette Oropesa und Rubén Fernández Aguirre (Lieder und Arien Schubert bis Luigi Arditi).

Den gebürtigen Südtiroler Andrè Schuen dürfen „wir“ Salzburger ein klein wenig auch für uns reklamieren. Man durfte erste Karriereschritte mitverfolgen, den Schüler Wolfgang Holzmairs in dessen Liedprojekten erleben (Hier ist in Salzburg übrigens eine große Lücke geblieben; nach der Emeritierung Holzmairs als Leiter einer Liedklasse hört man wenig vom Liedgenre am Mozarteum). Längst ist der Bariton Andrè Schuen ein international etablierter Opern- und Konzertsänger. Die „Schule Holzmair“ hört man immer noch.

Schuens stupende Textverständlichkeit spottete fast ein wenig der zum ersten Mal im Stefaniensaal eingesetzten „Übertitelung“ der Liedtexte. Grundsätzlich schon eine Idee, diesfalls beinahe störend. Dass bei Andrè Schuen jeder Konsonant in der richtigen Intensität und jeder Vokal in der richtigen Länge artikuliert wird, versteht sich. Atemberaubend das Pianissimo in hohen Lagen, ebenso geschmeidig das Forte. Der direkte Vergleich ließ den Atem anhalten: „Dies Augenzelt von deinem Glanz allein erhellt – o füll es ganz“, heißt es im Lied Du bist die Ruh. Das Wort „erhellt“ in hoher Lage einmal forte (so ziemlich der lauteste Ton an dem delikaten Abend), in der Wiederholung dann pianissimo verklingend – technisch perfekt und in der Wirkung überirdisch. Daniel Heide ist ein brillanter, mit-atmender Klavierpartner, der delikate und facettenreiche Akzente zu setzen weiß.

Die Lyrik kommt in einer solchen Interpretation gleichberechtigt mit der Musik zu ihrem Recht. Mahlers Rückert-Lieder, die den Abschluss bildeten, gerieten zu Ausblicken in eine „bess're Welt“. Ja, man kann mit Liedern, die in der Regel nicht eindimensional Schwarz oder Weiß ausfallen, Hoffnung und Trost vermitteln: Jedenfalls schien das eine Programm-Linie zu sein, die Um Mitternacht ihren grandiosen Höhepunkt fand: Der Mensch könnte, wenn er denn noch so disponiert wäre, das zwanghafte Welt-Retten-Müssen auch einmal an eine höhere Macht abgeben. So klar und eindringlich, in größter Schlichtheit, ohne Frömmelei natürlich, hat das noch kein Sänger zu vermitteln gewusst. O Röschen rot und Richard Strauss' Und morgen wird die Sonne wieder scheinen waren stimmige Zugaben.

Tatsächlich erinnerte auch die Liedauswahl Andrè Schuens ein wenig an jene Wolfgang Holzmairs in seiner aktiven Zeit: Die Lieder für sich selbst sprechen und ihre Geschichten selbst „erzählen“ lassen. Sich nicht vor die Lieder, sondern sich ihnen als Instrument zur Verfügung stellen. Die dunklen und tragischen Facetten ergeben sich ohnehin, wenn die Lieder eines fahrenden Gesellen auf dem Programm stehen. Und Beziehungen zwischen den Nummern tun sich auch ohne Motto oder Programm-Dramaturgie auf, wenn ein Sänger und Textgestalter von Rang etwa knapp hintereinander zwei Schiff-Fahrten im Programm hat: Den martialischen Schiffer D 882 gestalteten Andrè Schuen und Daniel Heide mit fast schon komischem Männlichkeits-Gehabe, während das vielstrophige Des Fischers Liebesglück D 933 Zärtlichkeit und Liebesscheu im Pianissimo war... Wenn sie nicht aufgehört hätten, würde man noch immer zuhören. Atemlos.

musikverein-graz.at
Bilder: dpk-klaba

 

 

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