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Pfitzner eine Chance

HINTERGRUND / HANS PFITZNER / LIEDSCHAFFEN

28/11/19 Richard Strauss war der NS-Ideologie nicht fern. Hans Pfitzner stand der NS-Ideologie auch nah, aber an weniger prominenter Stelle. Wenn man Strauss aufführen darf, darf man auch Pfitzner aufführen. Dies vorausgeschickt, darf die Rede sein vom grandiosen Liedschaffen Pfitzners, dem die Liedklasse von Wolfgang Holzmair am Mozarteum Reverenz erwiesen hat.

Von Heidemarie Klabacher

Hugo Wolf war neun, Richard Strauss nur fünf Jahre älter als Hans Pfitzner (1869–1949), Max Reger vier Jahre jünger. Kein schaffender Künstler existiert im luftleeren Raum. Das allen gemeinsame Umfeld hört man. Auch wenn die Lieder von Pfitzner bei allem Farbenreichtum und aller Klangsinnlichkeit nicht so opulent und bühnenwirksam aufrauschen, wie die Lieder von Strauss, und trotz ebenso virtuosem textbasiertem agogischem Witz nicht die konsequent pointierte Ironie aufweisen, wie viele Lieder von Wolf.

Das Spiel weitertreibend lässt sich festellen, dass auch Arnold Schönberg nur unwesentlich jünger, nämlich Jahrgang 1874, gewesen und nur zwei Jahre nach Pfitzner, nämlich 1951, verstorben ist. Sogar mit Richard Wagner (1813-1883) wallte Pfitzner einige Jährchen gemeinsam auf Erden. Und tatsächlich ist Wagner Pfitzner näher, als seine Zeitgenossen: Vermutlich rührt die Pfitzner-Vergessenheit unserer Tage von dessen recht vehementer Ablehnung der „modernen“ -  keineswegs nur der atonalen - Mittel der Musik seiner Zeit her (vom Ideologischen mal abgesehen, aber da müssten auch andere geächtet werden).

Ein inhaltlicher Höhepunkt des Abends mit Liedern, Briefen und Gedichten am Mittwoch (27.11.) im Solitär war der von Ulrike Arp launig vorgelesene Ausritt Pfitnzers etwa gegen unsinnige Taktwechsel auf kurzer Strecke, deren Bewältigung – verkürzt gesagt – keine musikalische, sondern nur mehr eine sportliche Leistung der Interpreten zeitgenössischer Musik darstellten. Alle ihm unlieben musikalischen Entwicklungen seiner Zeit sieht Pfitzner in der „Elektra und Salome-Musik“ kulminiert. Auch seine Analyse der misslichen Interpretationen des Schumann-Liedes Du meine Seele, Du mein Herz hat, neben inhaltlicher Berechtigung, kabarettistische Qualität. Pfitzner hat halt keinen Peter Schreier gehört, der das Lied durchaus auf einen atmenden Grundschlag singt, und die Tempoangabe „Lebhaft“ keineswegs so auslegt, als sei sie von Mascagni.

Pfitzner selber lieferte also seinen Gegnern ausreichend Material, das gegen ihn verwendet werden konnte. Der Lieder freilich dürfte sich selten jemand angenommen haben, sonst müsste dem Komponisten schon längst Gerechtigkeit widerfahren sein: Es sind grandiose Lieder, die neben denen der Lied-Größen Hugo Wolf oder Richard Strauss von eigenständiger Qualität und Tiefe sind.

Besonders seinen eigenen Anspruch, die Musik eines Liedes müsse den inhaltlichen und atmosphärischen Gehalt des vertonten Gedichtes spiegeln, hat der Komponist exemplarisch verwirklicht. Pfitzner schuf zahlreiche kleine Zyklen, die jeweils auf Gedichten eines Autors basieren. Friedrich Hebbel, Gottfried Keller, Conrad Ferdinand Meyer und vor allem Joseph von Eichendorf gehören dazu, aber auch einzelne Gedichte von Riccarda Huch, Carl Busse oder Richard Dehmel (genau, der von Verklärte Nacht).

Die 14 Studentinnen und Studenten der Liedklasse von Wolfgang Holzmair haben 41 Lieder gesungen. Und diese Überfülle hat nicht übersättigt. Vom spürbaren Bemühen um Textverständlichkeit und vom feinen musikalischem Gespür aller Ausführenden getragen, hörte man den ganzen langen Abend hindurch bei jedem Lied mit neu geweckter Aufmerksamkeit zu. In Stimm-Qualität und -Beherrschung ebenso wie in der Textbehandlung herausragend war der Bariton Benjamin Sattlecker mit Pfitzners Fünf Liedern op. 9 auf Texte von Eichendorf. Die frechen poiniterten Miniaturen op. 8 auf Gedichte von Keller sind ebenso reizvoll, wie so manche volksliedhaft anmutende Nummer und wie die vorherrschenden „romantisch“ ausgebreiteten Schilderungen, in denen an der Oberfläche von der Natur, darunter aber vom menschlichem Empfinden die Rede ist. Geradezu „mozartisch“ mutet das Lied Sonst, auf ein Gedicht von Eichendorf an. Von Conrad Ferdinand Meyers Eingelegten Rudern op. 32/3 hörte man geradezu das Wasser tropfen. Kunstvoll kontrapunktisch angehaucht ist die Begleitung zum Lied Das Alter op. 43/3. Eine betörend vielschichtige  Abenstimmung schildert Pfitzner auf Carl Busses Michaleskirchplatz... Jedes Lied eine Perle in einem  Liedschatz, der auf Dauer gehoben werden sollte.

Bild: UniMoz

 

 

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