Das Leben mit Gottes Strafverschärfung
NEU IM KINO / SUPERWELT
18/03/15 Ganz leicht hat man es nicht in der Grenzwelt zwischen Niederösterreich und dem Burgenland, wenn einen der Ruf Gottes mit gleichsam alttestamentarischer Wucht ereilt. Es ist eben nicht der Sinai, und der brennende Dornbusch ist in Wirklichkeit nur die Thujenhecke in der schmucken Einfamilienhaus-Siedlung.
Von Reinhard Kriechbaum
„Superwelt“ hat Karl Markovics seinen zweiten Spielfilm genannt. Ob dieser Streifen mit internationaler Aufmerksamkeit ähnlich Markovics' Filmregie-Debüt „Atmen“ wird rechnen dürfen? Wer weiß. Jedenfalls ist die Strategie durchaus ähnlich: Die Geschichte der Supermarkt-Kassierin und durch und durch lebens-durchschnittlicher Familienmutter Gabi Kovanda ist eine solche, die das Tempo unserer Welt, die Oberflächlichkeit zum Thema macht. Das Unpersönliche, das zum System geworden ist im Beruf und nicht selten auch im familiären Umgang miteinander – gibt es daraus ein Entrinnen?
Die erste von vielen Porträtaufnahmen: Gabi Kovanda sitzt an der Supermarkkasse und schickt dem Kunden das eingelernte Lächeln nach. Jäh wandelt sich die Mimik, das Lächeln weicht einem Ausdruck von Leere, von Ratlosigkeit. Da ist in den ersten Filmminuten klar, wo die Sache hin läuft. Diese Gabi Kovanda (brillant geführt und konzentriert: Ulrike Beimpold) hat nicht die Mittel, zur Amokläuferin zu werden. Sie ist eine Kandidatin für wortloses Burnout. Das wird dann vielleicht etwas zu umständlich geschildert: Wie sie immer und wieder sich ausklinkt aus den normalsten Alltags-Verrichtungen. Wie sie „ins Narrenkastl schaut“, so hat es Markovics dieser Tage in einem Interview auf gut Österreichisch beschrieben. Da sitzt sie in ihrer nach Re-Design rufenden Küche („Die muss reichen für dieses Leben“, sagt ihr Ehemann) und trinkt Tee aus der Schale mit der Aufschrift „Mama ist die Beste“. Im Keller rumort dieWaschmaschine beim Schleudern wie der Leibhaftige. Vielleicht ist es ja der und gar nicht Gott, der bohrende Fragen an Gabi richtet.
Wie das also auch immer zugeht, dass Gabi für ein paar Tage zur „Aussteigerin“ wird, zur Wanderin in den Getreidefeldern: Jesus war vierzig Tage in der Wüste. Im Osten Niederösterreichs, für eine prekär angestellte Supermarktverkäuferin müssen zwei oder drei Tage ausreichen, um Versuchung zu durchleiden und Selbsterkenntnis zu finden. Achtung, Metaphern! Da und dort eine Anspielung auf die Bibel, die ein post-religiöses Kinopublikum eh nicht verstehen wird. Ebenso wenig, wie Gabi Kovanda durchschaut, was da eigentlich mit ihr passiert.
Umso heftiger dann ihre Abrechnung mit Gott, die sinngemäß so klingt: Das Leben ist schwer genug, da brauchte er nicht noch mit Fragen nach dem Sinn des Ganzen ein Schäuferl nachlegen. Das ist so etwas wie Gottes Strafverschärfung. „Ich höre seine Stimme nicht mehr“, wird Gabi zu ihrem Mann sagen, und er wird drauf sagen: „Iß dein Gulasch!“
So also läuft Selbstfindung im Normalbürger-Durchschnitt. Es menschelt also in diesem Film, in dem Karl Markovics (der auch das Drehbuch geschrieben hat) uns mitteilt: Die kleine Alltagslebenskatastrophe muss nicht zwangsläufig in eine solche münden. Geht schon irgendwie halb-gut weiter. Damit ist man eh schon ziemlich gut dran.
„Superwelt“ ist in etwa so lapidar wie der (enttäuschende) Titel. Dramaturgische Verdichtung ist dieses Films Qualität nicht. Dafür weiß der Super-Schauspieler Karl Markovics natürlich, wie er mit seinen Darstellern umgeht. Eine andere als die famose Ulrike Beimpold kann man sich nach diesen 120 Minuten gar nicht vorstellen für diese Rolle. Rainer Wöss ist der Ehemann, der nichts schnallt, was da vorgeht in seiner Frau. Viele leise Töne statt großer Emotion.
Kürzlich ist „Superwelt“ auf der Berlinale uraufgeführt worden, die „Diagonale“ in Graz hat den Streifen am Dienstag (17.3.) als Eröffnungsfilm präsentiert.