Des Blutsaugers Freud und Leid
NEU IM KINO / DER VAMPIR AUF DER COUCH
18/12/14 Als Alpen-Western-Ungustl hat Tobias Moretti zuletzt in Andreas Prochaskas „Das finstere Tal“ bewiesen, wie gut er auch vermeintlich ausgelutschten Genrerollen eine spezifisch österreichische Note verpassen kann. Im gleichnamigen Kinofilm von David Ruehm landet er nun als „Vampir auf der Couch“ von Sigmund Freud.
Von Christoph Pichler
Das verflixte siebte Beziehungsjahr haben Graf Geza und Gräfin Elsa von Közsnöm (Tobias Moretti und Jeanette Hain) schon seit Jahrhunderten hinter sich. Perfekt läuft es zwischen den beiden freilich noch immer nicht. Während er weiterhin seiner großen Liebe Nadila nachtrauert, leidet sie vor allem am Fehlen des eigenen Spiegelbilds. Den modernen Errungenschaften des Wiens der dreißiger Jahre nicht abgeneigt, sucht der Graf Rat bei Sigmund Freud (Karl Fischer) und trifft dabei in Lucy (Cornelia Ivancan) eine vermeintliche Wiedergängerin seiner verblichenen Herzensdame.
Schnell ist der Plan gefasst, die alte Liebe mit unfreiwilliger Hilfe der jungen Frau wieder zum Leben zu erwecken. Trotz seiner hypnotischen Fähigkeiten kein leichtes Unterfangen, denn neben seinem Diener Radul (David Bennent), den ein Sommernachtstraum-Fauxpas ebenfalls für Lucy entflammt, macht auch die Gräfin Probleme. Sie hofft, dass Freuds Traumillustrator Viktor (Dominic Oley) das Kunststück gelingt, ihr Gesicht endlich auf Leinwand zu bannen. Dass er stattdessen seine Freundin Lucy porträtiert, fällt ihr in der ersten Begeisterung gar nicht auf.
Auch wenn schon in der Eröffnungsszene reichlich Blut spritzt und danach noch mehrmals kräftig auf die Ketchup-Tube gedrückt wird, stehen bei Regisseur und Autor David Ruehm die Schock- und Splatter-Effekte keineswegs im Vordergrund. Viel zentraler ist da die Verortung im Wien der Zwischenkriegszeit, das sich zwar auch in Kulisse und (mit Abstrichen) Kleidung spiegelt, aber noch viel mehr in den tiefenpsychologischen Problemen der Akteure. So ist der Film gespickt mit Anspielungen und Doppeldeutigkeiten, komischen Details und messerscharf sezierenden Dialogen, die selbst dem nüchternsten Freudianer die Mundwinkel ein paar Mal nach oben ziehen sollten.
Moretti und Hain überstrahlen zwar als exzentrisches Blutsaugerduo mit sympathisch-skurrilen Macken das eigentliche Heldenpaar, dennoch ist „Der Vampir auf der Couch“ bis in die kleinste Nebenrolle stark besetzt (köstlich etwa Erni Mangold als neugierige Nachbarin). Musikalisch hält zudem ein Wechselbad aus Orchesterbombast und Schlagerseligkeit das Tempo bis zum großen Finale hoch. Mit reichlich österreichischem Flair, Charme und morbidem Humor hat David Ruehm nun auch dem Vampirfilm eine rot-weiß-rote Frischzellenkur verpasst. Man darf gespannt sein, welches Genre als nächstes so gekonnt „austrifiziert“ wird.