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Aufarbeiten, indem man alles sagt

IM PORTRÄT / GABRIELE HOCHLEITNER

09/09/24 Die Salzburger Filmemacherin Gabriele Hochleitner bringt in ihrer einzigartigen Dokumentation Trog – Eine österreichische Familiengeschichte Vergessenes, Verdrängtes und Verschüttgegangenes ans Tageslicht. Es ist bereits der dritte Teil ihrer Filmtrilogie zum Thema „Familie und Vergangenheitsbewältigung“ – zu sehen ab 13. September im Salzburger Filmkulturzentrum Das Kino.

Trog, ist der Hofname des alten Bauernhauses in Goldegg in der Nähe des Böndlsees, von dem die Familie von Gabriele Hochleitner abstammt. Für die Dokumentation ist sie nacheinander mit elf ihrer Cousins und Cousinen in den jahrhundertealten Bauernhof zurückgekehrt, in dem sie einst aufgewachsen sind.Gemeinsam mit ihnen öffnet sie eine Tür nach der anderen, betritt Räume voller Erinnerungen und dringt auf diese Weise immer tiefer in die erschütternden Abgründe ihrer Familiengeschichte vor.

Im Mittelpunkt steht das Schicksal der Mutter der elf Geschwister und Halbgeschwister – der Bäuerin Theresia, die während der NS-Zeit nicht nur die Hinrichtung ihres Mannes, Vater ihrer ersten vier Kinder, sondern auch ihre eigene Inhaftierung im KZ überstehen musste. In den Jahren danach kommt es überdies zu schweren Fällen von sexueller Gewalt und Missbrauch.

Die Protagonistinnen und Protagonisten berichten offen von den schönen und vor allem auch von den dunkelsten Momenten auf dem Hof und ihren Folgen. Die Schilderungen der elf heute erwachsenen Kinder zeigen eindrücklich, wie Hinschauen und Reflexion die Heilung von transgenerationalen Traumata innerhalb einer Familie möglich machen.

Schon der zweite Teil von Gabriele Hochleitners Filmtrilogie, der Dokumentarfilm In der Kurve, isteng verknüpft mit der Tragödie der Verfolgung von Deserteuren und Wehrmachtsverweigerern 1944 in Goldegg. Simon und Alois Hochleitner, Onkel der Filmemacherin, sind bei dieser sogenannten „Aktion Sturm“ von der SS am 2. Juli 1944 grausam ermordet worden. In Zwa traurige Buam schließlich beschäftigte sich Gabriele Hochleitner mit der Kriegsvergangenheit ihres Vaters und ihres Onkels. Beide waren als junge Männer im Zweiten Weltkrieg als Wehrmachtssoldaten im ehemaligen Jugoslawien in Gefangenschaft geraten.
„Die hatten alle ihre schwere Geschichte zu tragen“, sagt Gabriele Hochleitner. „Es hat die Zeit nicht gegeben, um etwas aufzuarbeiten. Das gibt es erst jetzt. Und aufarbeiten kann man nur, wenn man alles weiß oder wenn man alles sagt.“ Aber „da schließt sich die Türe schon“, bedauert die Regisseurin, die in der österreichischen Filmszene unter ihrem Wert gehandelt wird.

Durch die Dreharbeiten vor allem am letzten Film der Trilogie sei ihr klargeworden, „dass Zur-Sprache-Kommen von unangenehmen, traumatischen Geschehnissen in einem geschützten Raum Heilung und Akzeptanz hervorbringen kann.“ Dieser geschützte und schützende Raum war also das Bauernhaus Trog. „Der Raum im Film den Erinnerungen gegenüber und der Raum bei den Dreharbeiten, den ich meinen Cousinen und Cousins entgegengebracht habe, lässt Erzählungen gewähren und gibt den Protagonisten Verständnis und Mitgefühl. Das schafft Erleichterung, sowohl für die Protagonisten als auch für das Publikum.“

Gabriele Hochleitner wurde 1969 in Salzburg geboren. Sie studierte Fotografie in Rom, bevor sie 1997 an der Dortmunder Fachhochschule für Film ein Filmstudium abschloss. „TROG“ ist ihr 12. Dokumentarfilm. Fünf ihrer bisherigen Werke wurden bei der Diagonale gezeigt und eines bei der Viennale (Die Stadt der Erinnerung, 2001). Hochleitner gewann im Laufe ihrer Karriere zahlreiche Stipendien u.a. in Berlin, Buenos Aires, Virginia USA und Rom. Seit 2005 besteht eine enge Zusammenarbeit mit dem britischen Filmemacher und Cutter Timothy McLeish. Sie ist Mutter dreier Kinder und lebt als freischaffende Filmkünstlerin in Salzburg.

Gabriele Hochleitner wird alle drei Filme im Salzburger Filmkulturzentrum Das Kino vorstellen. Den Auftakt macht „Trog“ am Freitag (13.9.) um 19.30 Uhr. Moderiert wird das Gespräch von dem Psychiater und Psychotherapeut Markus Masoner aus dem Pongau. Auch er wurde als Kind durch die Fluchtgeschichten seiner Eltern im Zweiten Weltkrieg mit den Folgen von Traumatisierung und Tabuisierung konfrontiert – Weitere Termine am 19. und 26. September – www.daskino.at
Bilder: Das Kino / Mirjam Schneeberger (1); Dim Dim Filmverleih (3)

 

 

 

 

 

 

 

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