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Braucht es Gott, um spirituell zu sein?

HINTERGRUND / THEOLOGIE

10/02/17 Nach dem lauten, aggressiven Atheismus, der als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 aufbrandete, wächst seit einiger Zeit ein leiser, nachdenklicher Atheismus bei einigen Intellektuellen der Gegenwart. Das beobachtet der Salzburger Theologe Gregor Maria Hoff.

Er beschreibt diese Entwicklung in seinem neuen Buch „Ein anderer Atheismus. Spiritualität ohne Gott?“ Beispiele für die Spiritualisierung des Atheismus, für eine „Mystik ohne Gott“ findet Hoff etwa in den Texten des Schriftstellers Martin Walser oder des Philosophen Bruno Latour. Die Grenzen zwischen Säkularem und Religiösem scheinen zu verschwimmen.

„Die Zahl der Atheisten weltweit steigt. Immer weniger Menschen glauben an die Existenz eines Schöpfergottes. Jeder Fünfte bezeichnet sich als Atheist oder Agnostiker.“ Doch die Abgrenzung zwischen Säkularisten, Humanisten, Agnostikern und spirituellen Menschen wird immer schwieriger, so der Professor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie an der Universität Salzburg. Das liege auch daran, dass sich der Atheismus in den letzten Jahren wieder deutlich verändere: Weg von seiner rabiaten, rein naturalistischen Ausrichtung, die ihren medialen Gipfel in der furiosen Streitschrift wider die Religion „Der Gotteswahn“ des Evolutionsbiologen Richard Dawkins im Jahr 2006 erreichte. Hin zu einem nuancierterem Verhältnis zu religiösen Traditionen. Eben zu einer „Religion ohne Gott“.

Ein Ausgangspunkt für diese Transformation, die langsam immer stärker Gestalt annimmt, sei laut Hoff ebenfalls das Jahr 2006. Damals erschien das Buch „Spiritualität ohne Gott“ vom bekennenden Atheisten André Comte-Sponville erscheint. Der französische Philosoph und Schriftstellter argumentiert darin zwar gegen die Existenz Gottes, findet aber viele Haltungen des Glaubens für das menschliche Zusammenleben unerlässlich („Woran glaubt ein Atheist“).

In seinem im Regensburger Verlag Friedrich Pustet erschienenen Buch „Ein anderer Atheismus. Spiritualität ohne Gott?“ geht Gregor Maria Hoff auf rund ein Dutzend große atheistische Persönlichkeiten des gegenwärtigen geistigen Lebens ein, die zu den Vertretern des neuen Phänomens der „Religion ohne Gott“ gezählt werden könnten. „Ob beim britisch-schweizerischen Schriftsteller und Fernsehproduzenten Alain de Botton, beim US-amerikanischen Philosophen Ronald Dworkin, dem französischen Soziologen Bruno Latour oder dem deutschen Schrifteller Martin Walser – überall zeige sich ein Atheismus, der die Ressourcen der Spiritualität neu entdeckt“, sagt Hoff.

„Die religiösen Traditionen bieten eine Sprache für das an, was uns fehlt.“ So erklärt Hoff diese neuen Denkweisen. „Gott fehlt. Mir“, sagt zum Beispiel der Agnostiker Martin Walser. Klingt paradox, sei aber Ausdruck  einer Spiritualität ohne Gott, meint Hoff. Walser hält viel von Religion, versicherte er in einem „SPIEGEL“-Interview. Religion sei eine Ausdrucksform wie Literatur, Malerei, Musik. „Wer sagt, Religion gehe ihn nichts an, verwechsle vielleicht Religion mit etwas Kirchlichem“, so Walser damals.

Die „Spiritualität ohne Gott“, die große, atheistisch eingestellte Persönlichkeiten der Gegenwartsphilosophie und Literatur an den Tag legen, sei auch in der breiten Bevölkerung zu beobachten. Religionssoziologische Studien zeigen, dass bei vielen durchaus säkular gesinnten Menschen ein Bedürfnis nach spirituellen Angeboten besteht. „Meditation oder Yoga, der Markt boomt.“ Sein Forschungsgebiet sei dieser Aspekt aber nicht, betont Hoff.

Der Salzburger Theologe sieht in der Entwicklung hin zu einer „Spiritualität ohne Gott“ durchaus positive Aspekte. Sowohl Atheisten als auch Gläubige könnten von der Haltung lernen. „Atheisten könnten von religiösen Traditionen zum Beispiel lernen, wie Versöhnungsrituale funktionieren. So etwas brauchen Menschen. Gläubige wiederum könnten sehen, wie ernst man religiöse Traditionen nehmen kann, auch wenn man sie ausschließlich unter einem kulturellen Blickwinkel betrachtet.“

Das Buch von Hoff ist der dritte Band einer Trilogie, denen die Bücher „Religionskritik der Gegenwart“ und „Die neuen Atheismen“ voran gingen. In den drei Bänden will Hoff die zum Teil parallel verlaufenden Veränderungen nachzeichnen, die sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts in unserer westlichen Gesellschaft vollziehen, was die Auffassung von Religion betrifft. (Universität Salzburg)

Gregor Maria Hoff: Ein anderer Atheismus. Spiritualität ohne Gott? Topos Taschenbücher 2015. Verlag Friedrich Pustet. Regensburg – www.toposplus.de
Bild: privat

 

 

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