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Liebestaumel kurz und intensiv

FESTSPIELE / PROJEKT TRISTAN UND ISOLDE

22/08/14 Peter Seiffert und Waltraud Meier als Tristan und Isolde haben den verkürzten Anlauf zur Verzückung nicht einmal ignoriert, sondern losgelegt, als hätten sie die diversen Seereisen nach Irland und Kornwall in voller Länger absolviert. Daniel Barenboim am Pult des West-Eastern Divan Orchestra war der umsichtige Steuermann.

Von Heidemarie Klabacher

„Projekt.“ Das kann eine gefährliche Drohung sein. Wie viel Blut in der „Familie Schroffenstein“ geflossen ist, hat schon so manches „Projekt nach Kleist“ enthüllt. Spannung also vor – und Entwarnung nach - dem „Projekt Tristan und Isolde“ bei den Festspielen.

Daniel Barenboim hat am Pult seines West-Eastern Divan Orchestra ganz ohne Wagner-Zertrümmerung das Vorspiel, den zweiten Aufzug und Isoldes Liebestod aus Tristan und Isolde dirigiert. Auf einen großen musikalischen Atem, intensiv und kontrolliert kraftvoll in der Lautstärke, präzise und pointiert in Phrasierung und Artikulation: ein erstaunlich vollgültiges Wagner-Erlebnis.

Nach etwas weichgespültem Anlauf im Vorspiel präzise fokussiert die Streicher; reich timbriert die Holzbläser; wohl kontrolliert im „Tiefklang“ die Blechbläser: Das von Daniel Barenboim und Edward Said 1999 gegründete West-Eastern Divan Orchestra hat sich einmal mehr als Orchester von Rang erwiesen. Als Botschafter im israelisch-arabischen Konflikt ist es dieser Tage ohnehin von größerer Bedeutung denn je.

Barenboim hat ihnen durchaus kräftigen Orchesterwind um die Ohren wehen lassen. Hat ihnen aber auch durch gezielt entwickelte de-crescendi schillernde Entfaltungsräume für Klang und Text in piano und pianissimo geöffnet. Überwältigend allein Tristans Rückblick auf seine schmerzensreiche Geburt im „Wunderreich der Nacht“ und Isoldes Bereitschaft, ihm in dieses Todesreich, „dein Eigen“, zu folgen.

René Pape hat als König Marke seiner Trauer über Tristans Verrat bewegenden Ausdruck verliehen. Stephan Rügamer hatte als Melot nur wenige Stichworte zu geben.

Ekaterina Gubanova als Brangäne ließ ihr „Habet Acht! Schon weicht dem Tag die Nacht“ mit verstörender Intensität in den Verzückungstaumel der Liebenden hinein klingen: eine verzweifelte Wächterin an einer Grenze, die von Menschenvernunft nicht zu überschreiten ist. Auf einem schier unendlich lang gehaltenen Atemzug hat sie die weichende Nacht beschworen. Und die Liebenden dazu? „Soll ich lauschen?“ „Lass mich sterben.“ Es war ihnen wirklich nicht zu helfen… Nur ein Ausschnitt aus einer Oper und der Konzertant – und so viele Farben, Bilder und Emotionen.

Bilder: SFS / Marco Borrelli / Lelli

 

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