Blitzende Augen allerorten
FESTSPIELE / CAMERATA / ZEHETMAIR
07/08/14 Heimspiel für die Camerata Salzburg: zwischen Seufzen und Ekstase widmete sich die Camerata Salzburg unter der Leitung des Geigers Thomas Zehtmair einem Programm, das dramaturgisch der Liebe galt. Im Zentrum des Konzerts stand als österreichische Erstaufführung John Caskens Doppelkonzert für Violine und Viola „That subtle knot“.
Von Christiane Keckeis
Mendelssohn Bartholdys Ouverture zum Märchen von der schönen Melusine zeigte gleich zum Auftakt, dass es so eine Sache ist mit der Liebe: bei der Idylle bleibt es nicht lang, bis es zu teils gewaltvollen Ausbrüchen kommt. Der zarte Beginn, das gekräuselte Wasser gestalten die Musizierenden farbenreich und in der Klangkultur fast impressionistisch, bevor es markant männlich weitergeht.
Kraftvoll und sehr energetisch kommt Melusines Ritter daher und auch bestimmend, da stehen Welten gegeneinander. Kein Wunder, dass es zwischen der elegischen Nymphe und dem realitätsstrotzenden Mann kein Happy End gibt. Die Kontraste sind spürbar - wobei der Ritter der Camerata tendenziell näher liegt als die feine Seele der Nymphe. Was wohl auch in Zehetmairs Deutung begründet liegt, der in den vitalen und dramatischen Passagen mit der ihm eigenen etwas eckigen Körpersprache doch deutlichere Impulse gibt als in den empfindsamen. Schon hier zeichnet sich ab, dass die kammermusikalischen Qualitäten der Camerata in diesem Konzert nicht so sehr gefragt sind wie die Vitalität.
Ähnliches ist auch in Mozarts „Haffner Serenade“ zu hören: pracht-, kraft- und saftvoll voller Lebenslust und Energie entsprechend dem erfreulichen Anlass wird die Hochzeitsserenade musiziert. Es ist spürbar, wie viel Freude es den Musikern und Musikerinnen macht. Das ist über weite Teile mitreißend, hat aber auch seine Tücken. Feinheiten gehen verloren, es sind bisweilen bei heiklen Stellen die Stimmgruppen nicht miteinander, Balance spielt nicht immer eine Rolle, auch etwas mehr Transparenz wäre hier und da erfreulich: Kleinigkeiten, aber im Wissen darüber, über welche Qualitäten die Camerata verfügt, unnötige Kleinigkeiten.
Auch Zehetmair als Solo-Geiger sprüht vor Energie. Im Rondeau reißt es ihn regelrecht davon und er steckt damit seine Orchesterkollegen an. Blitzende Augen allerorten. Die große Herzlichkeit zwischen den Musikerinnen und Musikern und Thomas Zehetmaier ist schön zu beobachten.
Im Zentrum des Konzerts steht als österreichische Erstaufführung John Caskens Doppelkonzert für Violine und Viola „That subtle knot“. Das bezieht sich auf das Gedicht „Ecstasy“ des Renaissance-Dichters John Donne samt Liebe, Verschmelzung, zarten Knoten, tiefen Gefühle und auch – Erotik. Casken schrieb es als Auftragswerk für die beiden ausführenden Solisten Thomas Zehetmair und Ruth Killius: zweifelsohne ein charismatisches musikalisches Paar.
Beide loten mit ihren Instrumenten die Klangfarben und Möglichkeiten aus. Von sanglichen Linien bis zur Virtuosität ist alles da. Im Dialog greifen sie blind ineinander, traumwandlerisch manchmal, umspielen sich, um sich wieder weit zu entfernen und das Spiel des Magnetismus wiederholt sich von neuem.
Caskens Werk beginnt im ersten Satz mit der Verschmelzungsthematik: und es scheint wirklich alles zu verschmelzen, ganz verwoben, sehr sensibel das Orchester, das sich in Teilen und schließlich ganz druntermischt, unterhebt, gar kein eigenes Element, vielmehr ein Teil des Ganzen. Nicht das gesamte Werk ist so nachvollziehbar wie der Beginn, manches erscheint redundant oder ausgewalzt.
Die Camarata ist ohne Dirigent höchst konzentriert, Zehetmairs Bogen und Nacken und die präsente Aufmerksamkeit der Konzertmeisterin müssen reichen, um die Einsätze zu finden – eindrucksvoll. Das Publikum ist angetan von der allgemeinen Leistung und wird mit einer Zugabe des Musikerpaares belohnt: In Peter Maxwell Davis „Midhouse Air“ entwickelt sich eine zarte lyrischen Begegnung zum lebensfrohen irischen Tanz – womit nach Verschmelzung und Ekstase wieder eine Landung auf der Erde möglich wird.