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Nebelstreif und Feuerwerk

SOLISTENKONZERT / KISSIN

07/08/14 Selten gespielten Werken zweier großer Komponisten widmete sich Evgeny Kissin bei seinem Solistenkonzert im Großen Festspielhaus: Zwischen Schuberts Gasteiner-Sonate und Skrjabins Etüden liegen - nicht nur geographisch - Klang-Welten, die Kissin virtuos in einem großen Atemzug zu präsentieren wusste.

Von Heidemarie Klabacher

Herrschte Morgennebel im August 1825, als die Postkutsche mit Franz Schubert drin die steilen Hänge des Gasteiner-Tals erklomm? Eine Frucht dieser Sommerreise ist, neben ein paar Liedern und der Großen C-Dur Symphonie, die Klaviersonate D-Dur op. 53 D 850: Mit der „Gasteiner“ eröffnete Evgeny Kissin sein Solistenkonzert im Großen Festspielhaus.

Kissin stürzte sich Hals über Kopf in das Allegro, erfüllt von vorwärts drängender Energie: Zielgerichtet phrasierend orientierte er sich souverän im scheinbar unübersichtlichen Gelände zwischen den unzähligen Varianten des pochenden Hauptmotivs und den stürzenden Unisono-Kaskaden.

Diese sich kraftvoll aufdrängenden Gebirgs-Bilder blieben dennoch überschattet von Kissins charakteristischem Klavierklang mit dem gar nicht sparsam eingesetzten Pedal. Im schwebenden und anschlagstechnisch perfekt ausgeloteten Andante klang der Steinway beinahe wie mit einem Samtstreifen präpariert. In auffallendem Kontrast zum weichen Sound stand das wie dem Metronom durchgezählte Tempo. Das war kein „typischer“ Schubert, in dem Hirten verträumt auf starrendem Fels sitzen oder Jäger ihre Hornquinten munter gegen diesen schallen lassen.

Die Überraschung brachte der vierte Satz. Im Rondo der Sonate D-Dur D 850 zieht der Schubert’sche Wanderer einmal nicht müh- und einsam am Wanderstab seiner Wege. Hier lässt er munter und heiter den Spazierstock schwingen. Auch schien sich der Nebel- oder Samtstreif von den Saiten zurückgezogen zu haben: Strahlend glänzten die Trillerketten. Mit unverhüllter Kraft und Energie, ja aggressiv, strotzen die Gegenthemen. Im glasklaren Licht verklang dieser denkwürdige Schubert.

Danach trat Evgeny Kissin in seiner Rolle als russischer Virtuose auf. Zur Ein- und Umstimmung quasi stellte er Alexander Skrjabins zweisätzige Klaviersonate Nr. 2 gis-Moll op. 19, die Sonate-Fantaisie, in den Raum: ein großes Klanggemälde, ätherisch schwebend im Andante, rauschhaft virtuos im Presto.

Ebenfalls „früher Skrjabin“ sind die 12 Etüden op. 8 aus 1894. Evgeny Kissin spielte davon sieben, und zwar die kanonische Auswahl der beiden großen Skrjabin-Interpreten Vladimir Sofronistky und Vladimir Horowitz. Rhythmisch raffiniert gegeneinander verschoben sind die Themen der rechten und der linken Hand in der zweiten und in der vierten Etüde. Ausgewachsene Virtuosenstücke sind die Etüde Nr. 9 gis-Moll und die Etüde Nr. 12 dis-Moll. Alles „Virtuose“ kommt von Evgeny Kissin mit beiläufiger technisch souveräner Selbstverständlichkeit. Im Ausdruckszentrum scheinen die lyrischen gesanglichen Passagen zu stehen. So ist auch funkelndes Tastenfeuerwerk immer mit Seele erfüllt.  

Bild: SFS/Silvia Lelli

 

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