Mit dem Vorschlaghammer
FESTSPIELE / BUCHBINDER / BEETHOVEN-ZYKLUS 2
05/08/14 Wenige Pianisten weltweit haben den Kosmos aller Klaviersonaten Ludwig van Beethovens nicht nur abrufbereit drauf, sondern touren damit auch noch durch die Konzertsäle. In jüngster Zeit sind es der Brendel-Schüler Paul Lewis und Rudolf Buchbinder.
Von Horst Reischenböck
Wie sagte einst Friedrich Gulda anlässlich seiner Zweit-Einspielung aller Beethoven-Sonaten? Sie habe zu dem Zeitpunkt passieren müssen, „an dem der Geist schon und die Technik noch funktioniert“. So ein Projekt birgt Risiken - wie auch am zweiten Abend der zyklischen Gesamtaufführung aller 32 Beethoven-Sonaten – vor Publikum und Kamera - geringfügig zu bemerken war.
Der Aufnahmeort dünkt nicht glücklich gewählt. Trägt das Holzpodium im Großen Saal zusätzlich auf? Buchbinder jedenfalls scheint von der Dynamik her keinen Unterschied zum Großen Festspielhaus machen zu wollen. Von Pianokultur war wenig zu bemerken. Auch ein großer Steinway kann - so erforderlich - leise gespielt werden. Das weckte am Montag (4.8.) zumindest während der ersten Programmhälfte den Wunsch, der identischen Programmfolge lieber auf CD zu folgen. (Diese wurde am 28. November 2010 in der Semperoper in Dresden aufgezeichnet und ist vom Klang her in den Relationen besser und in sich weitaus durchhörbarer abgestimmt.)
Live jedenfalls grummelten bereits zu Beginn die Bässe in der hochdramatischen Sonate Nr. 5 c-Moll op. 10/1 über Gebühr. Und nach der kurzen Ruhepause des Adagio molto stürmte Buchbinder förmlich ins finale Prestissimo hinein. Die gedankliche Vorwegnahme der 5. Sinfonie wurde unüberhörbar mit dem Vorschlaghammer aus den Tasten gestanzt. So als ginge es nicht zuletzt auch um eine sportive Leistung.
Dem Auditorium wurde jedenfalls kaum Zeit zu kontemplativer Besinnung gelassen. Oder wollte Buchbinder auch bewusst ein Zuviel an Emotion ausklammern? Nach den differenziert ausgehorchten Variationen zu Beginn der As-Dur-Sonate op. 26 stapfte die Vorwegnahme des Marcia funebre aus der „Eroica“ ebenmäßig hinter des Helden Sarg dahin - ohne Pausenzäsur konterkariert durch den Wirbel des Allegro.
Das wiederholte sich dann in der zweisätzigen Sonate Nr. 22 F-Dur op. 54, in der das Più Allegro nach dem eher behäbigen Ländler im Menuett-Tempo losprescht - ungeachtet Beethovens eigener Warnung vor zu raschem Tempo. Immerhin: Spontaner Jubel.
Welch ein Unterschied dann nach der Pause! Auf dem Programm standen die Sonate Nr. 4 Es-Dur op.7 „Grande Sonate“ und die „Mondschein-Sonate“ Nr. 13 cis-Moll op. 27/2: In die „Grande Sonate“ horchte Buchbinder von Anbeginn an weitaus subtiler hinein und gliederte etwa das Largo mit gewünscht großer Emotion zu eindrucksvollem Fresko. Mit dem Allegro nahm Beethoven schon im Geburtsjahr von Franz Schubert unüberhörbar dessen späte Impromptus vorweg. Danach ließ sich Buchbinder behutsam ins Rondo hinein treiben – um der „Sonata quasi una fantasia“ cis-Moll gestalterisch den Gipfel anzupeilen. Rudolf Buchbinder hat mit bewussten Rubati das den späteren Titel „Mondschein“ provozierende Adagio immer wieder neu in Fahrt gebracht, genauso wie das Presto agitato, das erneut frenetische Zustimmung nach sich zog.
Auch am zweiten Abend zwei Zugaben - köstlich aufgedröselt der „Haydn“-Spaß von op. 10 Nr. 2 und die Signale der „Jagd“ op. 31 Nr. 3.
Die weiteren Termine von Rudolf Buchbinders Beethoven-Zyklus: 8., 12., 13., 19. und 20. August, jeweils 19.30 Uhr im Großen Saal des Mozarteums - www.salzburgerfestspiele.at
Bild: SFS / Silvia Lelli