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Der Herr ist hörbar mächtig

FESTSPIELE / DIE SCHÖPFUNG

20/07/14 Ein freudvolles Werk in Einklang mit einem ambitionierten Orchester (die Holzbläser des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks seien besonders hervorgehoben), steigerungswilligen männlichen Solisten und eine alles überstrahlende Camilla Tilling markierten einen fröhlichen Auftakt zur Ouverture spirituelle.

Von Stefan Reitbauer

Es gibt viele Wege Haydns wohl bekanntestes Oratorium zur Aufführung zu bringen: achtsam umgehend mit musikhistorischen und stilistischen Feinheiten, die barocken Einflüsse in Tempowahl, Agogik und Dynamik beachtend, im besten Sinne der Worte symphonisch und gewaltig, kraftvoll und dick auftragend, durchscheinend und grazil. Im Bewusstsein der klanglichen Tradition eines Bernard Haitink konnte die gegebene Interpretation der „Schöpfung“ – am Freitag (18.7.) im Großen Festspielhaus – wenig überraschen. In großem Gegensatz zu vergangenen Aufführungen, etwa im letzten Jahr unter Nikolaus Harnoncourt, überwogen ein klanggewaltiger Ambitus, oftmals romantisch anmutend, rasche Tempi ohne agogische Schwankungen und geringe dynamische Differenzierungen. Weiß man um den Umstand, dass Haydn speziell die Chorpartien in großer Bewunderung und in Anlehnung an die Händelschen Oratorien komponiert hatte, mag diese Herangehensweise zwar überraschen, aber auf modernem Instrumentarium ausgeführt gelang es trotzdem, dem Werk zu großer Klangqualität zu verhelfen.

Obschon, und das hat ja auch was Kreatives in sich, das ansonsten großartige Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und der Maestro die Thematik des Chaos in der Einleitung dann doch etwas sehr wörtlich genommen und in die Tat umgesetzt haben. Da irritierte wohl nicht nur das Publikum der erste Akkord im ganz neuen Arpeggio und in, euphemistisch ausgedrückt, ungewohnter Klangvielfalt.

Ein wenig dürfte sich die Unsicherheit und vielleicht auch die Notwendigkeit eines „Warmwerdens“ mit Raum und Unmittelbarkeit der Aufführungssituation auch auf Mark Padmore (Tenor) und Hanno Müller-Brachmann (Bariton) in ihren ersten Einsätzen übertragen haben. Durfte der Chor zu Beginn noch im achtsamen Piano brillieren („Und der Geist Gottes schwebte …“) und von einem Abend in differenzierter dynamischer Gestaltung träumen, so mussten „Verzweiflung, Wut und Schrecken“ schon im schwer gestemmten Fortissimo gebrüllt werden. Es sei trotzdem erwähnt, dass der Chor ansonsten in schöner Ausgewogenheit und mit perfekter Intonation agierte.

Den musikalisch-qualitativen Höhepunkt verkörperte Camilla Tilling in den Figuren der Eva und des Gabriel. Mit großer Ausdruckskraft, leuchtenden Augen und mit erzählerischen Ambitionen erklang ihr „Mit Staunen sieht das Wunderwerk“. Virtuos, mit spielerischer Leichtigkeit und Einfallsreichtum meisterte Camilla Tilling ihre Arien und Rezitative. Wie wohltuend, wenn Solisten auch in ihren Pausen mit Staunen und Begeisterung den Kollegen lauschen und dem Publikum ein Lächeln schenken, anstatt verbissen in ihre Partituren zu versinken.

Mark Padmore, zu Beginn noch etwas unausgewogen und unentspannt im Herausschütteln seiner Vibrato-getränkten Phrasen, durfte nach der Pause, wie auch sein Bariton-Kollege, mit einer gewaltigen Steigerung aufwarten. Schade, dass das Rezitativ des Uriel mit dem Hindurchschleichen des Mondes durch die stille Nacht noch vor der Pause gesungen werden musste.

Hanno Müller-Brachmann, der einzige der Solisten, der das Deutsche als seine Muttersprache betrachten darf, wollte mit glasklarer Aussprache überzeugen. Dass dabei dem Klang seiner Sprache eine irritierende Unnatürlichkeit anhaftete, störte die klangvolle und sonore Qualität seiner Stimme. Mehr Mut zur Stille und zum Ruhigen hätte man sich gewünscht. Ein Glottisschlag und die Gefahr einer Trommelfellreizung beim Ansingen des Wortes „Leise“ – das war symptomatisch für die dynamische Gestaltung (mit Ausnahme von Camilla Tilling) des ersten Teils.

Umso erfreulicher, wie homogen die Duette und Terzette den Raum fluteten. Bestens aufeinander abgestimmt und mit viel mehr lustvoller Sangesfreude erklang „Der Herr ist groß“. Und so erfuhr man tatsächlich eine Reise vom Schatten in das Licht, vom Chaos in die Ordnung. Hätte Bernard Haitink den Chor auch noch in gebührender Weise zu seinen vom Orchester begleiteten (!) Auftritten verholfen, wäre das allgemeine Frohlocken am Ende auch noch zu verstehen gewesen. Haitink musste sich allerdings zeitaufwendig mit seiner Partitur beschäftigen.

Bilder: Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus

 

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