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So sitz ich hier fest und singe Lieder

SCHAUSPIELHAUS / HEUTE ABEND LOLA BLAU

30/10/23 Wenn sie auch erfunden ist, die Kabarettsängerin Lola Blau: In seinem Eine-Frau-Musical Heute Abend Lola Blau ist eigentlich er selbst, Georg Kreisler, die Hauptperson. Die Rolle ist sein weibliches Spiegelbild.

Von Reinhard Kriechbaum

In Lola Blau sind Exilerfahrungen und vor allem Rückkehrer-Erfahrungen fokussiert, wie Georg Kreisler (1922-2011) sie mit bitterbösem Humor in Dutzenden Liedern festgehalten hat. Eingangs singt Lola Blau blauäugig: Im Theater ist was los. Aus Politik „macht sie sich nichts“, obwohl sich die Verwandtschaft bereits vor den Nazis ins Ausland absetzt. Ihr ersehntes Erst-Engagement in Linz wird sie als Jüdin nie antreten, doch als Unterhaltungskünstlerin auf dem Emigranten-Schiff wird sie Erfolg haben, und auch in den USA wird sie sich gegen alle Widrigkeiten durchsetzen. Da war das Man lächelt manchmal einen an nur ein Rezept. Das viel wichtigere, gültig wohl für alle Exilanten nicht nur damals: Man muss sich nur ein bisserl mehr als andere plagen. Das hat vermutlich keiner besser gewusst als der bienenfleißige Georg Kreisler, dessen Werkverzeichnis ja nicht nur Schlager à la Tauben vergiften im Park aufweist, sondern auch dutzendweise Eintagsfliegen.

Im Foyer – der SonderBar – des Schauspielhaus Salzburg schlüpft Daniela Meschtscherjakov in diese Traumrolle, die Topsy Küppers 1971 aus der Taufe gehoben hat (Kreisler hat nach der Trennung von Küppers mit ihr übrigens um die Autorenrechte für Lola Blau gekämpft und sich durchgesetzt). Daniela Meschtscherjakov zieht im Schauspielhaus Salzburg, in der SonderBar, alle Register der Verwandlungskunst – und sie hat dafür nicht nur genügend Perücken und Verkleidungen bei der Hand, sondern auch die nötigen Stimmfacetten und in Roli Wesp auch einen flexiblen Begleiter am Klavier. Es reiht sich ja ein Hit an den anderen, und Lola Blau ist eben nicht nur von Beruf Dame, sondern kann in Da sitzt ein Meidele in seinem Heisele auch die reinste Unschuld spielen. Wie sie, wieder daheim in Wien, einem unwilligen Theaterdirektor (on screen: Olaf Salzer) Kostproben ihrer chamäleonhaften Verwandlungskunst gibt – ein Gustostück nach dem anderen.

Nirgends kann es so schwierig sein wie nach der Rückkehr nach Wien – auch das eine unmittelbare Lebenserfahrung Kreislers, der seine Bühnenfigur Lola Blau resümieren lässt: So sitz ich hier fest und singe Lieder... So lebenslustig-oberflächlich es oft zugeht, bringt Daniela Meschtscherjakov eigentlich in jeder Nummer auch die latente Melancholie, ja Traurigkeit heraus. Man muss wissen, man hat niemals ein Zuhause oder Was man alles sagen könnte, wenn man sagen könnte, was man sagen könnte – eigentlich lauern in allen Texten Abgründe.

Die projizierten Bilder- und Wochenschauberichte, die Zeitstimmung suggerieren, hat Georg Kreisler in seinen szenischen Anweisungen festgelegt. Oft ist Daniela Meschtscherjakovs Gesicht auch in Projektion zu sehen. Ein Alter ego, das die Mimik überhöht oder konterkariert. In Benjamin Blaikners Inszenierung sind auch Videos mit Schauspielerinnen und Schauspielern des Schauspielhaus-Ensembles eingefügt. Da kommt so etwas wie die Stimme des Volkes zum Ausdruck – und diese Stimme ist nicht unbedingt Zutrauen erweckend: Frau Schmied kann nichts dafür, denn das halbe Volk steht hinter ihr... Das Abdriften nach rechts kann und sollte einem heute deutlich mehr Angst machen als zur Entstehung des Lola-Blau-Musicals Anfang der 1970er Jahre.

Daniela Meschtscherjakov bringt jedenfalls die Tiefenschichten dieser Rolle perfekt heraus, ohne dass in den zweieinviertel Stunden (!) der pfiffige, leichtfüßige Grundton verloren geht. DON'T MISS MISS LOLA steht auf einem projizierten Plakat. Gilt auch für die Salzburger Aufführung.

Bis 22.12. im Schauspielhaus-Foyer (SonderBar) – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg

 

 

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