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O je, o je, es rührt mich nicht...

LANDESTHEATER / DIE FLEDERMAUS

05/06/23 Es gibt heutzutage am Theater nichts, was schwerer wäre, als eine Operette. Charme und Eleganz entsprechen nicht der dekonstruktiven Regiewut, feines Sentiment wird lächerlich gemacht oder ins Tragische verzerrt, echte Singschauspieler aller Geschlechter sind Mangelware. Dass ausgerechnet eine Könnerin wie die Regisseurin Alexandra Liedtke an der Fledermaus krachend scheitert, hätte man aber doch nicht vermutet.

Von Gottfried Franz Kasparek

Die Fledermaus des Johann Strauss Sohn – und der war, trotz aller kongenialen Mitarbeit des Theaterpraktikers Richard Genée, der kreative Kopf dieses Stücks – gilt als „Operette aller Operetten“ und auch als eine spezifisch österreichische komische Oper. Otto Schenk, nach dessen Inszenierung und dessen Frosch man im Lauf des Abends Sehnsucht bekommt, sagte ihr nicht zu Unrecht Mozart-Nähe nach. Ja, dies ist ein amoralisches Lust-Spiel einer auf dem Vulkan tanzenden höheren Gesellschaft, samt einer aufstiegsgeilen Kammerzofe, einem skurrilen Winkeladvokaten und einem angepassten, aber hinterhältig versoffenen Staatsdiener. Und doch schwingen im Glücklich ist, wer vergisst, was nicht zu ändern ist und im Brüderlein und Schwesterlein-Rauschgesang tiefere Weisheit und resignierende Melancholie mit. Die dem Wiener Walzer, ursprünglich in der Tat ein rebellischer Volkstanz, spätestens seit Franz Schubert und Josef Lanner wesentlich eingeschrieben ist.

Diese Ambivalenz der Partitur hat leider nicht nur Frau Liedtke, sondern auch, nach einer trefflich musizierten Ouvertüre, der Dirigent Leslie Suganandarajah weitgehend übersehen. Das patente Mozarteumorchester könnte es auch anders, muss es aber meist lautstark krachen lassen. Da hat wieder einmal wer Johann Strauss mit Offenbach verwechselt, wobei letzterer auch mehr Esprit hat, als manche beherzten Taktstockschwinger glauben. Immerhin, mit dem schlagkräftigen und spielfreudigen Chor (Einstudierung Carl Philipp Fromherz) und der brillant schrägen Ballettgruppe (Choreographie Reginaldo Oliveira) klappt es gut, um mit positiven Aspekten zu beginnen.

Die Idee, den ersten Akt zunächst vor und später innerhalb des nach hinten drapierten roten Vorhangs zu spielen, der sich im pausenlos folgenden zweiten Akt hebt und eine Spiegelung des Landestheaters frei gibt, auf deren Rückwand sich schließlich dank Drehbühne das Gefängnis befindet, ist überraschend schlüssig und optisch recht attraktiv. Zu diesem Bühnenbild von Simeon Meier kommen wie heute üblich bunt zusammengewürfelte Kostüme von Johanna Lakner. Direse können witzig sein, etwa wenn der von einem Schotten dargestellte Eisenstein im Kilt auf den Ball geht, oder zeitgemäß wie beim salopp gekleidete Szene-Anwalt Falke. Es kann auch armselig aussehen wie das Ball-Nachthemd der Adele. Die Ärmste wurde noch dazu in eine Köchin verwandelt. Dabei gibt es bei diversen Royals und in Oligarchen-Haushalten auch heute noch Kammerzofen.

Als eine Art östlicher Oligarchin mit strohblonder Perücke und schwarzen Brillen muss, begleitet von einer Schar mafioser Leibwächter, Rosalinde am Maskenball auftreten und ihren Csardas als chauvinistische Verherrlichung Ungarns darbieten. Sophia Brommer schafft die gefürchtete Nummer bravourös, lässt aber mit ihrem mächtigen, stählern timbrierten Sopran eher an eine Turandot auf Badeurlaub denken.

Gesungen wird, um auf der Habenseite zu bleiben, allgemein gut. Luke Sinclair ist ein tenoral strahlender, dreisprachig versierter Eisenstein, der wie der souveräne und sein Brüderlein-Lied glanzvoll singende George Humphreys als Dr. Falke offenbar sehr anglophil ist und zwischendurch seine Muttersprache benützen darf. Dagegen ist Philpp Schöllhorn als recht jugendlicher Gefängnisdirektor Frank mit noblem Bariton dem Werk entsprechend wienerisch und radebrechend französisch unterwegs. Manuel Günther lässt eine frische Tenorstimme hören und wirkt prächtig als erotisch interessierter Stadttheater-Star Alfred. Die Rockeinlage, die er im Gefängnis darbieten muss, macht ihm sichtlich Spaß, wirkt aber wie ein nervtötender Stilbruch. Gottlob gibt es sonst keine Headsets.

Hazel McBain ist eine liebenswerte Adele, die stimmlich an Grenzen stößt. Bethany Yeaman langweilt sich lieblich als androgyner Orlofsky und darf ihr etwas schaumgebremst wirkendes Couplet erst in der Mitte des Ballgeschehens singen, was dramaturgischer Unsinn ist. Alexander Hüttner ist ein komischer Dr. Blind, wie er im Buche steht, Laura Rieger die sehr sachlich wirkende, ihre Schwester Adele um zwei Köpfe überragende Ida. Fernsehliebling Rudi Roubinek darf als Frosch von Anfang an lästig sein und kommentierend stören. Er setzt eher die heftig volkstümliche Tradition eines Ossy Kolmann fort als die der heiteren Schnaps-Philosophen Attila Hörbiger, Schenk und Peter Simonischek, betätigt sich zeitweilig gemeinsam mit Dr. Blind als Muppet-Showkomiker aus der Orchesterloge, lässt keine aktuelle Anspielung aus und gibt dem Affen Zucker, was das Zeug hält. Er darf im tiefen Wiener Dialekt baden und das ist gut so. Natürlich belohnen ihn viele Lacher, wie überhaupt der Holzhammer-Humor auf der Bühne erstaunlichen Anklang bei einem erschreckend großen Teil des Premierenpublikums findet.

Man könnte nun die vielen Unstimmigkeiten der Inszenierung aufzählen, doch dies würde eine Seite füllen. Das ganze hochgradig performative Spiel wirkt mitunter wie deftiges Puppentheater. Die Damen fuchteln mit Bananen vor den „Hosentürln“ der Männer herum, Alfred dient als Stehlampe in „Gattehosen“, offenbar sind alle irgendwie auch bisexuell – Dinge, die im Stück drin sind, aber durch hemmungslose Überzeichnung zur kalten Soap Opera-Sauce werden. Es wird mächtig gesoffen und wohl auch, mit Theaterzigaretten, gekifft.

Die Pause ist in der Mitte des zweiten Aktes, nach dem Champagnerlied und dort, wo sonst oft der „Donauwalzer“ als Einlage erklingt. Nach der Pause sind alle in Drogenrausch und Orlofsky eröffnet lallend mit trunkenen Tönen aus dem Graben. Ein Vorteil der Produktion ist, dass es keine Belehrungen über politische Korrektheiten gibt. Und fast versöhnlich stimmt, dass die Inszenierung ab Eisensteins Auftritt im Gefängnis plötzlich in die beschwingte Normalität einer alten Wiener Repertoire-Vorstellung übergeht. Ende gut, alles gut? Sagen wir es mit einer Textzeile, die verbürgter Weise dem „Walzerkönig“ selber zu seiner Musik eingefallen ist, parodieren wir sie aber: „O je, oje, es rührt mich nicht...“

Aufführungen bis 17. Juni – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Anna-Maria Löffelberger

 

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