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Vom stillen Meister des Weltkinos

FILMKRITIK / AUF TROCKENEN GRÄSERN / KURU OTLAR ÜSTÜNE

31/05/24 Einen Film des renommierten türkischen Autorenfilmers Nuri Bilge Ceylan – Goldene Palme 2014 für Winterschlaf / Kış Uykusu – in einem Salzburger Kino sehen zu können ist ein seltenes Ereignis. Das Mozartkino macht es möglich und zeigt nun ein Jahr nach der Premiere in Cannes seinen neuen Film Auf trockenen Gräsern.

Von Andreas Öttl

Der Regisseur bleibt dabei seinem Stil treu: Auch sein neuer Film ist mit 197 Minuten sehr lang, ruhig und elliptisch erzählt und enthält viele ausgedehnte, nur durch wenige Schnitte unterbrochene Dialogszenen. Schauplatz ist erneut die karge anatolische Landschaft, welche der Regisseur und seine beiden Kameramänner meisterhaft in Szene setzen. Auch die Hauptfigur ist ein typischer Nuri Bilge Ceylan-Charakter: Ein im Kern feinsinniger Mensch gefangen in einer rauen Umgebung, aber auch ein selbstherrlicher, frustrierter Mann, der nur bedingt als positive Identifikationsfigur taugt. Samet (Deniz Celiloğlu), ein aus Istanbul stammender Kunstlehrer, leistet seit vier Jahren seinen Pflichtdienst in einem abgelegenen Dorf in Anatolien.

Er verrichtet seine Arbeit gewissenhaft, wartet aber trotz einer Affäre mit Nuray (Merve Dizdar), die ebenfalls als Lehrerin tätig ist, nur darauf, die Trostlosigkeit des Landlebens so schnell wie möglich verlassen zu können. Doch als er von zwei Schülerinnen beschuldigt wird, sich unangemessen verhalten zu haben, schwindet diese Hoffnung immer mehr.

Auch wenn es offensichtlich ist, dass die Debatte um Geschlechterverhältnisse und sexuelle Übergriffe auch an Nuri Bilge Ceylan nicht spurlos vorüber gegangen ist, interessiert er sich nur bedingt für die Aufarbeitung dieses möglichen Fehlverhaltens und überlässt das Urteil über seine Charaktere dem Publikum. Er ist eben kein Analytiker, sondern ein stiller Beobachter. Trotz der vielen Dialoge im Film sind es die Blicke, die mehr sagen als die Worte. Für starke Frauenfiguren war Nuri Bilge Ceylan bisher nicht sonderlich bekannt. Bemerkenswert ist dennoch, dass gegen Mitte des Films – in einer subtil radikalen Geste des Regisseurs – zunehmend die anfangs nur als Affäre definierte Figur der Nuray in den Fokus des Films gerät. Dabei hinterlässt Merve Dizdar mit ihrer Darstellung, für die sie in Cannes mit dem Schauspielpreis belohnt wurde, einen bleibenden Eindruck.

Auf trockenen Gräsernerreicht zwar nicht die emotionale Intensität von Winterschlaf und ist dramaturgisch etwas weniger ausgefeilt wie sein letzter Film The Wild Pear Tree / Ahlat Ağaci, dennoch zementiert der Regisseur damit seinen hohen Stellenwert im Weltkino. Das kontemplative und atmosphärisch dichte Kino des Nuri Bilge Ceylan ist und bleibt ein Geschenk für all jene, die bereit sind, sich darauf einzulassen. Genauso wie der Film immer wieder in Nebenstränge abzweigt wird auch der Zuschauer durch die unaufgeregte, nicht vorrangig am Voranpeitschen einer Geschichte interessierten Inszenierung eingeladen, zwischendurch zu verschnaufen, sich in Details zu verlieren und die Gedanken schweifen zu lassen.

Auf der visuellen Ebene bietet der Film einige der wohl stärksten Bilder, die man heuer auf einer Kinoleinwand sehen kann. Nuri Bilge Ceylan ist eben nicht nur ein großer, epischer Erzähler und ein genauer Beobachter der türkischen Gesellschaft. Er ist auch ein Poet, der sich für seine Figuren ebenso interessiert wie dafür, wie man Schneefall, den Wind und den Himmel auf eine berührende Weise filmen kann.

Bilder: www.filmladen.at

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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