Tracht, prêt-à-porter
TOBI REISER PREIS 2013 / SUSANNE BISOVSKY
16/11/12 Obwohl Tobi Reiser (1907-1974) nicht zuletzt als Heimatwerk-Chef unmittelbar mit Tracht zu tun hatte, wurde der nach ihm benannte Preis bisher noch nie jemandem aus diesem Volkskultur-Segment zugesprochen. 2013 ist das anders. Die Modeschöpferin Susanne Bisovsky wird die Auszeichnung im Frühjahr entgegen nehmen.
„Mit der Vergabe dieses Preises wird ein Weg aufgezeigt, wie sich Tracht losgelöst von national geprägten Ideologien dynamisch weiter entwickeln kann - kreativ, nachhaltig, lustvoll, mit Traditionsbezug und höchstem Qualitätsanspruch“, heißt es in der Jury-Bergründung. Tatsächlich gehört Susanne Bisovsky zu jenen Menschen, die in Tracht eine gerüttelt Portion Zeitgeist und kreatives Mode-Design investieren. Sie denkt sich eine von Tracht inspirierten Haute Couture und Prêt-à-porter-Mode aus, die sie in ihrem international renommierten Salon in der Wiener Seidengasse feilbietet. Diese Gewänder scheinen, wie es in der Jury-Begründung heißt, „auf den ersten Blick wenig mit Tracht im herkömmlichen Sinn zu tun“ zu haben. „Sie mag deshalb vordergründig als Preisträgerin ungewöhnlich erscheinen.“ Blicke man jedoch hinter die Kulissen, „hat Susanne Bisovskys Mode sehr viel mit echter Tracht (echt in Erinnerung an regionale Kleidung vergangener Epochen) unserer Zeit zu tun, die sie in einen neuen Kontext setzt.“
Die Absolventin der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien hat diese mit einer Diplomarbeit mit dem Titel „be tracht ung“ abgeschlossen. Sie war Schülerin von Vivienne Westwood, London. Für Susanne Bisovsky ist „Tracht ein Glücksfall der Unvollkommenheit“.
Aus dem Statement der Jury: „Die Hauptzutaten ihrer Kreationen sind ein Riesenfundus von alten Stoffen, überlieferten Techniken und schöpferischen Entwürfen. Dinge, die andere Menschen wegwerfen, werden für sie interessant. Sie strebt nicht große Märkte an, Nachhaltigkeit und Überschaubarkeit spielen in ihrem Verständnis eine große Rolle. Kleidung wird wieder repariert oder mit Versatzstücken zu Neuem geformt. Sie lässt Altes, stilistisch und handwerklich Perfektes, jedoch in Vergessenheit geratenes vergangener Tage wieder aufleben, ihre persönliche, moderne Handschrift entsteht bei der Arbeit wie von selbst.“
Susanne Bisovsky grenze sich von einer „Modeindustrie mit den bekannten Auswüchsen ebenso ab wie von Hardcore-Trachtlern“. Ihr Bezug zur Tracht habe „nichts mit Ideologie, sondern mit optischen Gegebenheiten, Material und Verarbeitungstechniken“ zu tun. Den „Viennese chic“, die einmal so berühmte Wiener Gewandsprache, lasse sie als ein Stück Wiener Identität wieder aufleben: „Damit entsteht wieder urbane Tracht im besten Sinne.“
Susanne Bisovsky‘s Arbeit habe einen „starken Bezug zur Geschichte der Tracht“, lobt die Jury. „Erfunden bzw. entdeckt von urban geprägten Schichten wurde Tracht in der Romantik zu einer lustvollen Begegnung von städtischen Sehnsüchten, zeitgenössischer Mode und ländlichen Traditionen.“
Seit 20 Jahren vergibt der Verein „Freunde des Salzburger Adventsingens“ alljährlich den Tobi Reiser Preis für herausragende innovative Leistungen im Bereich der Volks- und Alltagskultur. Sämtliche Preisträger der vergangenen Jahre setzten in ihren Bereichen markante Impulse und prägten die gesellschaftliche Entwicklung ihres Umfeldes. (Freunde des Adventsingens)