Stich mitten ins Herz der Hardcore-Trachtler
KOMMENTAR
Von Reinhard Kriechbaum
16/11/12 Leute, die eine Ideologie machen aus ihrer Krachledernen oder ihrer Goldhaube, denen werden jetzt die Haare zu Berge stehen wie die kühnen Fasanfedern, mit denen Susanne Bisocsky manche ihrer Hut-Kreationen ziert.
Es ist höchst ungewöhnlich, einer extravaganten Mode-Designerin wie Susanne Bisovsky einen Preis zuzusprechen, der den Namen eines Menschen trägt, der vielen als Synonym einer angeblich reinen, unverfälschten „Volkskulturpflege“ gilt. Tobi Reiser, eine Kultfigur? Immer wieder beziehen die „Freunde des Adventsingens“, die den Tobi-Reiser-Preis ausloben, mutige Standpunkte. Sie scheuen nicht die Konfrontation mit den selbsternannten Lordsiegelbewahrern eines „Volksgutes“, das sich bei näherer Betrachtung oft als gar nicht so althergebracht herausstellt, wie es viele glauben (möchten). Und mit den Ewiggestrigen, die Volkskultur am liebsten aus der gesunden braunen Heimaterde herauswachsen sehen, wollen sie noch viel weniger zu tun haben.
Die Tracht war erst jüngst Thema eines Films von Othmar Schmiderer: „Stoff der Heimat“ – ein bewusst sehr zwielichtiger Titel. Es war interessant zu erleben, wie lebhaft dieser Film bei der Viennale im Vorjahr und heuer im März bei der „Diagonale“ in Graz von einem cineastischen Publikum diskutiert wurde. Bei der Tracht, die als Mode-Liebkind gerade gut im Kurs steht, scheiden sich die Geister. Ein Umgang, wie ihn Susanne Bisovsky mit ihr pflegt, ist so außergewöhnlich wie wichtig.
Ihr Signal: Tracht ist nicht etwas, das über Jahrhunderte gewachsen ist. Was wir unter Tracht verstehen, ist weitgehend eine Schöpfung des (späten) 19. Jahrhunderts. Versuche regionaler, ja nationaler Abgrenzung stecken dahinter, verschwommene Heile-Welt-Sehnsüchte, natürlich auch politische Positionen, die sich im Nachhinein als ruinös erweisen sollten. Mit schnellem Abqualifizieren, aber auch mit indifferenzierter Schwärmerei ist dem Thema Tracht nicht beizukommen. Selbst die Uniformen von Blasmusikkapellen und Schützenvereinen sind oft mehr oder weniger willkürliche Kreationen.
Susanne Bisovsky ist keine brave Dirndlschneiderin. Und sie bekommt trotzdem den Tobi-Reiser-Preis. Man muss der Jury gratulieren, die damit ein klares Zeichen setzt, dass es ihr um Volkskultur als eine lebendige Lebens-Art geht und nicht um eingefrorene Ideologie.