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Christbäume aus der Wassertiefe

LESEPROBE / WEIHNACHTEN IN OBERÖSTERREICH

20/12/13 Wer sagt, dass Christbäume bloß in den Wohnzimmern, in Einkaufszentren oder vor Rathäusern herumstehen müssen? Im Buch „Weihnachten in Oberösterreich“ finden sich auch Beispiele für einen höchst absonderlichen Umgang mit dem Nadelgehölz. Eine Leseprobe.

Von Reinhard Kriechbaum

035Neptun steigt aus dem Mondsee, bei sibirischen Temperaturen! Ein Netzgewand trägt er über dem Neoprenanzug, eine goldene Krone und eine Perücke mit grauem Haar hat er auf dem Kopf. Natürlich hält er einen Dreispitz in Händen. Für ortsansässige Besucher kommt sein Erscheinen aus der Seetiefe nicht ganz so überraschend wie für die Touristen, die dem Fackelzug vom Weihnachtsmarkt vor der Mondseer Basilika zum Seeufer einfach aus Neugier gefolgt sind.

Das Christbaumtauchen in Mondsee wird schon seit den 1960er Jahren durchgeführt. Die Mitglieder der Wasserrettung treffen sich am Christkindlmarkt und machen eine Fackelprozession zur Seepromenade. Mit ihren Fackeln gehen die Taucher dann auch ins Wasser, und schließlich werden drei hell beleuchtete Christbäume aus der Tiefe geholt. Und – echt wahr – Neptun scheint 029Urlaub im Mittelmeer genommen zu haben und taucht hier auf, als Bewacher der Christbäume! Offenbar braucht man auch als römischer Meeresgott einen Ferialjob, oder wenigstens mal Luft-, pardon, Wasserwechsel. Mit einem Korb geht Neptun dann an Land und beschenkt die Kinder.

Das Christbaumtauchen ist ein sehr beliebter Adventbrauch geworden, von Tauchsportclubs und den verschiedenen Ortsgruppen der Wasserrettungen. Am Traunsee wird es ebenso gemacht wie am 036Attersee. In Steyr und Großraming holt man Christbäume aus der Enns, in Schärding aus dem Inn und in Puchenau aus der Donau. Mehr als ein Dutzend weiterer Christbaumtauchen gibt es in Oberösterreich. Im Pichlinger See, einem fünfzig Jahre alten Schotterteich südöstlich von Linz, der als Eldorado für Taucher gilt, wird nicht nur ein Christbaumtauchen veranstaltet, sondern auch ein Ostereiertauchen.

1966 hat man das erste Mal vor Gmunden einen Christbaum versenkt. „Wir in Gmunden haben das Christbaumtauchen erfunden“, versichert man bei der dortigen Wasserrettung. „Als Sepp Höller die Idee kam, wusste er noch nicht, wie das funktionieren könnte. Er stellte deshalb in der Badewanne Experimente an – das Christbaumtauchen wurde in der Badewanne geboren.“ Eine wasserdicht verpackte Batterie ist eine der unabdingbaren Voraussetzungen.

Ursprünglich ist es darum gegangen, „den Kindern vom SOS Kinderdorf Altmünster eine Freude zu machen“. Und das Wesentliche, so  versichern die Organisatoren, sei es, der im Traunsee Verunglückten zu gedenken: „Mit dem Licht, das aus den dunklen Wassern kommt.“

Nach viereinhalb Jahrzehnten ist das Christbaumtauchen in Gmunden ein fester Programmpunkt im Advent. Von einem Schiff der Trauseeschiffahrt Karl Eder gehen fünfzehn Fackelschwimmer vom Union Tauchclub Altmünster von Bord. Sie bilden einen Halbkreis, und in dem Augenblick, da der Christbaum gehoben wird, löschen sie ihre Fackeln durch Eintauchen. Neptun ist schon im Mondsee beschäftigt, drum übernimmt in Gmunden ein Weihnachtsmann das Verteilen von Geschenken an die Kinder.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors

Dorothea Forster (Hg.), Reinhard Kriechbaum, Karl Mayr (Koautoren): Weihnachten in Oberösterreich. Erzähltes & Erlebtes vom Böhmerwald bis zum Salzkammergut. Verlagsgruppe Styria, Wien, Graz, Klagenfurt 2013. 213 Seiten, 24,99 Euro - www.styriabooks.at
Von Reinhard Kriechbaum ist auch eine Reihe von Brauch-Büchern im Verlag Pustet erscheinen: Die drei Bände „Weihnachten in Österreich“, „Scheller, Schleicher Maibaumkraxler“ und „Hochzeitslader, Krapfenschnapper, Seitelpfeifer“ bieten zusammen eine repräsentative Zusammenschau des Brauchlebens in Österreich. Sie sind im Set um € 63.- zu haben. – www.pustet.at/Braeuche-im-Jahreskreis-3-Baende-im-Set
Bild: Tourismusverband Mondsee/www.mondsee.at (1); Arthur Braunstein (1)
Zur Buchbesprechung Nicht nur für Oberösterreicher!

Das Christbaumtauchen in Mondsee findet diesmal am 21. Dezember um 18 Uhr statt (Beginn am Marktplatz)

 

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