Fremde Landesherren und eine Frau
LESEPROBE / GRENZFÄLLE
11/12/13 Markus Sittikus war gebürtiger Vorarlberger, und Gabi Burgstaller stammt aus jener Gegend Oberösterreichs, der Thomas Bernhard in seinem „Theatermacher“ ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Im neuen, dem dritten Büchlein mit „Grenzfällen“ ist auch jene Geschichte abgedruckt, in der man darüber nachdachte, dass nur ganz selten echte Salzburger hier Landeschefs waren.
Der aktuell amtierende Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer gehört – jedenfalls was seine Herkunft betrifft – einer Minderheit an: Er ist waschechter Salzburger und regiert das Land. Der Blick auf die bisher einzige Vorgängerin und zurück in die Geschichte der Landeshauptleute, Reichsstatthalter, Landespräsidenten, Kreishauptmänner, Kommissäre und Erzbischöfe, die bis 1803 auch in weltlichen Dingen das Sagen hatten, fördert eine lange Liste von "Gastarbeitern" an den Schalthebeln der weltlichen Macht in Salzburg zutage.
Lassen wir die Römer beiseite, deren Föderalismusempfinden ja noch sehr unterentwickelt war, und beginnen wir im siebenten Jahrhundert mit Rupert, dem ersten Bischof in Salzburg und heutigen Landespatron. Er stammte aus und starb in Worms. Es folgten unter anderen mit Flobrigis ein vermutlicher Angelsachse, der Ire Virgil und der Bayer Arno. Erst mit Adalram kommt 821 als sechster Nachfolger Ruperts der erste verbürgte Salzburger an den Bischofsstab. Danach bezog Salzburg sein Chefpersonal für knapp 200 Jahre aus Bayern, bis 1041 Baldwin aus Flandern die Geschicke an der Salzach übernahm. Mit Bayern geht es weiter bis 1164, da wurde mit Konrad II. ein Babenberger, also ein früher Österreicher, Erzbischof.
Es folgten Böhmen, Wittelsbacher, Schlesier, ein Pinzgauer, ein Schwabe und der Kärntner Ortolf von Weißeneck, der sich den Titel eines Fürsterzbischofs zulegte. Pilgrim II., unter dem Salzburg seine größte Ausdehnung erreichte, war Oberösterreicher, wie es noch viele nach ihm an der Spitze Salzburgs sein sollten. Mit Leonhard von Keutschach, um einen bekannten Namen anzuführen, regierte ab 1495 ein Kärntner Salzburg. Mit dem Geschlecht der Kuenburger kamen Südtiroler zum Zug, die wiederum vom Vorarlberger Wolf Dietrich von Raitenau abgelöst wurden. Sein Neffe und Nachfolger Markus Sittikus stammte aus Hohenems, ebenfalls aus Salzburger Sicht hinter dem Arlberg gelegen.
Salzburg konnte sich seit 1328 als eigenständiger Staat betrachten, und um auf Nummer sicher gegen nachbarschaftliche Einverleibungen zu gehen, beschloss das Domkapitel 1606, nie einen bayerischen Prinzen oder einen österreichischen Erzherzog zum Erzbischof von Salzburg zu wählen (was übrigens bis heute eingehalten wurde). Universitätsgründer Paris Graf von Lodron stammte aus der Gegend um Trient, ebenso danach Guidobald von Thun und Hohenstein. Mit Franz Anton von Harrach taucht 1709 erstmals ein gebürtiger Wiener in der Regierungsgeschichte des Erzbistums auf. Landsmann abstammungsweise war auch Hieronymus von Colloredo, Salzburgs letzter Fürsterzbischof mit weltlicher Macht, der ab 1800 Wien auch zu seinem Exil wählte.
Danach wird es unübersichtlich. Salzburg wechselte die Landesherrschaft bis 1816 beinahe im Jahresrhythmus. Unter dem in Florenz geborenen Kurfürsten Erzherzog Ferdinand von Österreich war der aus dem Veneto stammende Marchese Federigo Manfredini von 1803 bis 1806 Salzburgs dirigierender Staatsminister, der auch während der Besatzungszeit durch die Franzosen im Amt blieb. Für wenige Tage war dabei Jean-Baptiste Bernadotte französischer Militärgouverneur in Salzburg, der später als Karl XIV. Johann von Schweden bzw. Karl III. Johann von Norwegen in Skandinavien den Thron besteigen sollte.
Salzburger Landesherr wurde 1809 durch den Frieden von Schönbrunn formell der Korse Napoleon Bonaparte, der das Land nach einem halben Jahr mit den Bayern tauschte. Generalgouverneur für die neu für Bayern gewonnenen Salzburger Gebiete war Kronprinz Ludwig von Bayern, der später als König die Residenzstadt München mit zahlreichen Monumental-Gebäuden aus Untersberger Marmor versehen ließ.
Eine gewisse Kontinuität kam dann durch die Eingliederung Salzburgs als Salzburgkreis von 1816 bis 1849 unter die Landesregierung von Österreich ob der Enns, und mit Karl Joseph Anton Graf Welsperg von Primör und Raitenau (geboren in Tirol) übernahm ein entfernter Nachfahre eines Bruders von Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau die Amtsgeschäfte.
Im von 1849 bis 1918 wieder "eigenständigeren" Kronland Salzburg waren die uns heute geläufigen Begriffe noch vertauscht. Landespräsidenten waren direkte Vertreter des Kaisers und somit verantwortliche Regierungschefs des Landes, die Landeshauptmänner waren ab 1861 die Vorsitzenden des Landtags. Sie alle waren – bis auf Landespräsident Albert Schumacher – keine gebürtigen Salzburger, sondern kamen aus allen Ecken der Monarchie. Auch in der Ersten Republik, als die Landeshauptleute das waren, was sie heute sind, geht es in diesem Sinn weiter, bis mit Franz Rehrl erstmals wieder ein Salzburger am Hebel der Macht saß. Die "NS-Reichsstatthalter des Reichsgaues Salzburg im Deutschen Reich", oder einfach Gauleiter, waren, abgesehen vom wenige Tage eingesetzten Salzburger Alois Wintersteiger, aus Kärnten und Süddeutschland importiert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg stammten die ersten drei Kurzzeit-Landeshauptleute Adolf Schemel, Albert Hochleitner und Josef Rehrl aus Salzburg. Es folgten drei Langzeit-Landeschefs, mit Josef Klaus aus Kärnten, Hans Lechner aus Graz und Wilfried Haslauer senior findet sich aber wiederum nur ein echter Salzburger darunter. Ihm folgte der Pinzgauer Hans Katschthaler nach. Zwischen 1996 und 2013 hatten wieder gebürtige Oberösterreicher das Sagen: Franz Schausberger aus Steyr und Gabi Burgstaller aus Penetzdorf im Hausruckviertel, die erste und bisher einzige Frau an der Spitze des Landes. Dr. Wilfried Haslauer junior eroberte 2013 nicht nur für die ÖVP, sondern auch für die Fraktion der echten Salzburger den Landeshauptmannsessel zurück.