Wohin ist das Goldene Rössl geflogen?
FEUILLETON
24/12/13 Christkind, Weihnachtsmann mit Rudi the Reindeer, Knecht Ruprecht oder gar Julbock oder „Joulobukki“, wie es im hohen finnischen Norden heißt: Es herrscht nicht wenig Konkurrenz unter den weihnachtlichen Geschenkebringern. Da kam das Goldene Rössl in Oberösterreich, wiewohl in der Luft unterwegs, unter die Räder… Eine Leseprobe aus dem Styria-Buch „Weihnachten in Oberösterreich“, für das sich DrehPunktKultur-Chefredakteur Reinhard Kriechbaum auf die Suche gemacht hat nach einschlägigen Bräuchen.
Von Reinhard Kriechbaum
Nun wollen wir nicht über den Weihnachtsmann sinnieren: Er ist weihnachtliche Importware aus protestantischen Gegenden, der vor allem im angelsächsischen Raum Karriere machte und dem die Martketingstrategen von Coca Cola das unterdessen weitgehend verbindliche Outfit gegeben haben. Aber mit dem fliegenden Schlitten, gezogen vom Rentier Rudi, könnte das oberösterreichische „Goldene Rössl“ (auch: „Heißl“) vermutlich jederzeit konkurrieren. Seit 1400 ist es als Gabenbringer im Innviertel und Sauwald bekannt. Ihm wurde zu Weihnachten Stroh vors Scheunentor gelegt, dann flog es mit seinem Schlitten über die Dächer. Ob sich dies in den frühen Morgenstunden des 24. Dezembers zuzutragen pflegte, zu Mittag oder erst auf Mitternacht hin, darüber geht die Überlieferung auseinander. Jedenfalls regnete es für die Kinder Nüsse, Äpfel und Süßigkeiten. Eine Voraussetzung war Nüchternheit, denn der Advent galt früher generell als Fastenzeit, und der 24. Dezember war ganz speziell als Fasttag eingeführt.
Es gibt bekanntlich einen nicht zu unterschätzenden Verdrängungswettbewerb unter den Bräuchen, und das oberösterreichische Goldene Rössl hatte eher schlechte Karten: Es ist spätestens in den 1930er Jahren vom Christkind als Geschenkebringer abgelöst worden und geistert seither eher als theoretische Größe durch die volkskundliche Literatur, deren Autoren sich mit eher vagen Andeutungen aus der Affäre ziehen. Wann und wo mag also das Goldene Rössl also wirklich zuletzt gesichtet worden sein im Lande?
Der Erklärungsversuch, das Goldene Rössl stehe für alte Vorstellungen von Helios auf seinem Sonnenwagen (die Tage werden ja wieder länger) darf man getrost pseudo-wissenschaftlichen Legenden zurechnen. Die Linzer Volkskundlerin Andrea Euler-Rolle vermutet hinter dem Goldenen Rössl eher eine Gestalt aus den reichhaltigen Raunachtsumzügen, also eine Art fliegende Percht.
Mit den Weihnachtsgeschenken ist es ohnedies so eine Sache: Der „klassische“ Geschenkebringer für Kinder war ja der heilige Nikolaus. Und nimmt man die Bibel her, dann wäre Epiphanie (6. Jänner) „Erscheinung des Herrn“ ein sinnvoller Zeitpunkt: Da packten die heiligen drei Könige ihre Geschenke fürs Jesuskind aus. In orthodoxen Landen ist dies der eigentliche Weihnachtstermin. Christkind, Weihnachtsmann – das sind Geschenkebringer aus protestantischen Gefilden. Die evangelische Kirche konnte mit den Heiligen nichts anfangen. Weihnachten als Geschenkefest ist jedenfalls ein Brauch, der sich zuerst im Bürgertum breit gemacht und erst nach und nach im Land verbreitet hat.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors