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Nicht nur für Oberösterreicher!

BUCHBESPRECHUNG / WEIHNACHTEN IN OBERÖSTERREICH

20/12/13 Schau, schau! Die drei Weisen aus dem Morgenland haben mit dem Stern über Bethlehem „Kalt-Warm-Heiß“ gespielt, eine Art astronomisches Topfschlagen also… Die Weihnachtsgeschichte nach Gertrud Fussenegger ist einer der vielen reizvollen literarischen Texte, die sich mit volkskundlichen Beiträgen über lebendiges Brauchtum zu dem ebenso stimmungsvollen wie informativen Band „Weihnachten in Oberösterreich“ verbinden.

Von Heidemarie Klabacher

029Die Hypothek vieler solcher Jahrlauf-Bücher ist das Cover. Der Band „Weihnachten in Oberösterreich. Erzähltes & Erlebtes vom Böhmerwald bis zum Salzkammergut“ aus der Reihe „styria regional“ schaut aus, wie sich der Junior-Assistent einer hippen Werbeagentur authentische Weihnachtsstimmung vorstellen mag. Wir sind ihm deswegen nicht gram. Die IKEA-Laterne mit den eingeschliffenen Sternen im Fensterglas – lieben und besitzen wir sie nicht alle?

Dagegen hat man diese Sammlung an Weihnachtstexten von Autorinnen und Autoren, die in Oberösterreich geborgen wurden, gelebt haben oder gestorben sind – also von waschechten Oberösterreichern – nicht so ohne weiteres im Regal nebeneinander stehen. Die literarischen Texte im Buch „Weihnachten in Oberösterreich. Erzähltes & Erlebtes vom Böhmerwald bis zum Salzkammergut“ hat Dorothea Forster als Herausgeberin ausgegraben und ausgewählt.

Ein echter Oberösterreicher ist etwa Norbert Hanrieder, geboren 1842 in Kollerschlag. Der spätere Zeitungsgründer (Mühlviertler Nachrichten 1889), Priester und Mundartdichter hat schon seine Maturaarbeit in Deutsch am Linzer Gymnasium als Versepos vorgelegt. So hat es denn auch ein Gedicht – der etwas mühsam zusammengereimte Neujahrswunsch 1896 - ins Buch geschafft. Neugierig wird man trotzdem. Weniger auf weiteres Gereimtes, als etwa auf Hanrieders „Bilder aus dem Volksleben“, mit denen der Mitplaner der Mühlkreisbahn ein Jahr zuvor, 1895, als Autor debütiert hatte.

Die alphabetische Liste der Kurzbiographien am Ende des Buches führt niemand geringerer an als Thomas Bernhard. Von ihm abgedruckt – zumindest zu einem Teil – ist die frühe Erzählung „Von sieben Tannen und vom Schnee…“ Mit der Wahl dieser Geschichte liegt die Herausgeberin im Trend: „Gemessen an der Zahl der Abdrucke ist die ‚märchenhafte’ Weihnachtsgeschichte Von sieben Tannen und vom Schnee… der erfolgreichste Text des frühen Bernhard; jeweils am Heiligen Abend 1952 und 1953 erscheint sie insgesamt fünfmal in österreichischen Tageszeitungen“, heißt es im Kommentarteil im Band 14 „Erzählungen Kurzprosa“ der Werkausgabe im Suhrkamp Verlag.

Nach dem Salzburger Erstdruck im „Demokratischen Volksblatt“ am 12. Dezember 1952 jetzt also ein weiterer Nachdruck bei „styria“. Warum nur ist die Geschichte nicht vollständig wiedergegeben? Wegen des Seitenumbruchs? Auf die Bebilderung mit einer Tanne (Fichte?) könnte man getrost verzichten. Aber doch nicht auf einen ganzen Thomas Bernhard-Absatz, auch nicht in einem nicht-philologischen „Lesebuch“. Eigenwillig - und äußerst faszinierend angesichts dessen, was nur wenige Jahre später kommen sollte – ist der fromm-visionäre „frühe“ Bernhard.

Im Gegensatz zu Thomas Bernhard, der (1931 zufällig in den Niederlanden geboren, in Wien, Traunstein oder Salzburg aufgewachsen) immerhin ab 1965 im Oberösterreichischen gelebt hat, hat Marlen Haushofer tatsächlich fast ihr ganzes Leben lang in Oberösterreich verbracht. Haushofer, die erst jüngst mit der leider völlig verkitschten Verfilmung ihres Romans „Die Wand“ in Erinnerung gebracht wurde, ist 1920 in Frauenstein geboren worden und 1970 in Steyr verstorben. Von ihr ist in „Weihnachten in Oberösterreich“ die mit leichter ironischer Hand hin gestreute Kürzestgeschichte „Das Herodeslied“ nachzulesen.

Alois Brandstetter, dessen Eltern „ursprünglich sehr gegen das Radiohören eingestellt“ waren und dessen Vater ganz richtig vermutet hat, dass hinter dem „Volksempfänger“ der Teufel stecke, erzählt, wie es war, als eine Mutter damals im Dezember mit dem Zwölf-Uhr-Autobus aus Wels mit einem Radio heim nach Pichl gekommen ist.

Elisabeth Reichart, deren Sechziger erst jüngst im Literaturhaus Salzburg gefeiert wurde, wurde ebenfalls in Oberösterreich – in Steyregg – geboren. Sie erzählt mit „Ein weiser Mann aus Myra“ die schönste Nikolaus-Geschichte weit über dieses Buch hinaus: eine Hommage an eine Großmutter fast mehr als an einen Heiligen, eine poetische Fischpredigt unter Wasser, eine berührende Kindheitserinnerung.

Ob sich – wie Myra - auch das Städtchen St. Nikola im Strudengau tief hinunter ins Wasser neigt, um dem Wasser die Geschichten vom Heiligen vom Mittelmeer abzulauschen? Reinhard Kriechbaum, der Autor der Texte über das Oberösterreichische Weihnachtsbrauchtum, müsste es wissen. Der Heilige Nikolaus hat ja nicht nur Matrosen auf dem Mittelmeer aus Seennot gerettet, sondern auch Schiffsleute auf der Donau. Kriechbaum, der mit seinem dreibändigen Werk „Bräuche in Österreich“ (bei Pustet) ein volkskundliches Standardwerk vorgelegt hat, folgt auch in seinem Oberösterreich-Special dem Ansatz: Brauch ist, was von den Menschen von heute gelebt wird. Erst seit 1974 wird in St. Nikola an der Donau am 6. Dezember dem Fluss ein gesegneter Kranz übergeben, „im Gedenken an jene, die beruflich mit der Donau zu tun gehabt und dabei ihr Leben verloren haben“. Stimmungsvolles verheißen Ausflüge nach Obernberg am Inn oder Obertraun am Hallstätter See, wo der Heilige aus Myra mit Zille oder Fuhr – traditionellen Holzbooten – über die Wasser kommt.

Raunachtln und Weihnachtsblasen, Störibrotnacht  und Bratwürstelsonntag sind nur einige der beschriebenen Stationen auf dem Weg nach Weihnachten. Maschkerer und Kinigreiter führen dann schon hinüber Richtung Neujahr und Dreikönig. Der Krippenforscher Karl Mayer führt auf eine „Kripperlroas“ durch das Krippenland Oberösterreich.

Dorothea Forster (Hg.), Reinhard Kriechbaum, Karl Mayr (Koautoren): Weihnachten in Oberösterreich. Erzähltes & Erlebtes vom Böhmerwald bis zum Salzkammergut. Verlagsgruppe Styria, Wien, Graz, Klagenfurt 2013. 213 Seiten, 24,99 Euro - www.styriabooks.at
 Zur Leseprobe Christbäume aus der Wassertiefe

 

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