Kuppel, Engel fliegen hoch
BUCHBESPRECHUNG / KOMM UND SCHAU
19/12/13 Es war eines der charmantesten von Künstlerhand gestalteten Festspiel-Sujets: Der Wind, der Bücher und Bäume, Gambe und Gläser samt Domkuppel vor sich hertreibt... Im Büro der Präsidentin hängt sie noch, die Domkuppel von Walter Pichler. Für alle anderen ist sie jetzt auch wieder greifbar - auf einem Popup-Domführer für Kinder durch den Salzburger Dom.
Von Heidemarie Klabacher
Von links nach rechts fliegt die Domkuppel auf dem Programm der Festspiele 2004, Messer, Bücher, Bauholz, Efeublatt und Feuerfunken im Schlepptau. Auf dem Popup-Buch des Dommuseums kommt der Wind von rechts. Bunte Buchstaben wirbeln hinterher - „Komm und schau“ – und laden ein auf „Eine Entdeckungsreise durch den Salzburger Dom“.
Auf der ersten Seite stellt man auf einer der beiden Dom-Türme-Uhren die Zeit ein – los geht’s.
Beim bronzenen Domportal ist Kraft gefragt, bei seiner papierenen Nachbildung Fingerspitzengefühl. Öffnen lassen sich beide: Das Hauptportal gibt in Buch und Wirklichkeit den Blick auf Altar- und Kuppelraum frei - ein Licht durchflutetes Himmlisches Jerusalem. Die beiden Seitenportale im Buch bergen – wie viele weitere Stationen – Fragen und Informationen rund um Bau-, Kunst- oder Kirchengeschichte.
Der Blick der Dombesucher – das Büchlein ist für Erwachsene nicht weniger reizvoll, als für Kinder – wird mehrmals von unten nach oben und wieder hin und zurück gelenkt: etwa vom Marmorboden genau unter der Kuppel, hinauf zu den stuck-umrahmten Fresken in der Kuppel. Interessanterweise ist das „Muster“ oben und unten genau das Gleiche. Das sieht man im Buch viel besser, als im Dom selber.
Der Kuppel und ihren Geheimnissen gelten gleich mehrere Seiten. Achtung! Das herausziehbare Bild von der im Krieg zerstörten Domkuppel lässt sich nur mit großer Behutsamkeit wieder zurückschieben. Das gilt auch für den Reliquienschrein. Nicht nur wegen der - wohl kindgerechten aber durchaus anspruchsvollen Denkanstöße, Fragen und Suchspiele - ist die Altersempfehlung 8 Jahre für diesen Domführer gerechtfertigt.
Auch die erforderliche Geschicklichkeit und Sorgfalt im Umgang mit Büchern bringen wohl erst Kinder im etwas fortgeschritteneren Volksschulalter mit. Kein museumspädagogischer „Reißer“, aber vielleicht etwas betulicher, aber überaus ansprechender liebevoll gestalteter Wegweiser. Dass das durchaus aufwändig gemachte Büchlein überhaupt erscheinen konnte, verdankt sich dem Umstand, dass es heuer im Dommuseum keine große Ausstellung gegeben hat. So sei das Geld vorhanden gewesen, hieß es bei der letzten Pressekonferenz, diesen Domführer für Kinder – die Abschlussarbeit einer museumspädagogischen Ausbildung - zu veröffentlichen.
Was Zwickelbilder sind und welche Symbole die vier Evangelisten kennzeichnen, kann man hier ebenso erraten, erinnern oder erarbeiten, wie die Zahl der Orgeln und Orgelpfeifen, die Höhe der Domkuppel oder den Wasserverbrauch im Weihwasserbecken.
Besonders schön ist die „Erarbeitung“ des Hochaltarbildes: Im Zoom-Effekt wird der Blick gelenkt von der Gesamtansicht und der Stellung des Gemäldes im Altarraum bis hin zu Details wie dem Design des Engels-Untergewandes. Von der Arbeit der Stuckateure beim Wiederaufbau hoch oben unter der Decke zeugt ein historisches Foto. Das angefangene Stuckband lässt sich im Buch wie vorgezeichnet, aber gerne auch wie selbst erdacht, vollenden. Schön ist der kurze Ausflug hinunter in die Krypta zur atmosphärisch aufregenden – und mit ihren tanzenden Schatten für Kinder eindrucksvollen Vanitas-Installation von Christian Boltanski.
Dass das Buch nicht „beiß- und reißfest“ (also von lesefreudigen Krabblern besser fernzuhalten ist) ist, ist kein Fehler. Dass Bücher mit Vorsicht und Respekt zu behandeln sind, ist ein Lerninhalt, der mit diesem schönen Büchlein mittransportiert wird.