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Von der Tradition können wir uns sowieso nicht lösen

IM PORTRÄT / KARASTOYANOVA-HERMENTIN

09/05/12 Alexandra Karastoyanova-Hermentin ist eine Komponistin, die sich bewusst mit der Tradition auseinandersetzt. „Elimo“ heißt ihr Stück für Flöte, Klarinette, Schlagzeug, Klavier, Violine, Viola und Violoncello das heute Mittwoch (9.5.) am Aspekte-Eröffnungsabend uraufgeführt wird.

Zum Material, das die in Bulgarien aufgewachsene Komponistin in ihrem neuen Stück verarbeitet, gehören der „Cold Song" aus Purcells "King Arthur" und Elemente der bulgarischen Volksmusik. Immer wieder benutze sie „fremdes“ Material, „aber Zitate würde ich das aber nicht nennen“, so Alexandra Karastoyanova-Hermentin. „Ein besserer Begriff wäre Andeutungen, Allusionen“, so die Komponistin.

„In Elimo überlappen sich diese Ebenen aber überhaupt nicht, sondern das Werk entwickelt sich von einer Ebene zur anderen. Mit sehr bekannte „Zitaten“ soll man sehr behutsam umgehen, damit es nicht plakativ wirkt. Sie spiele jedenfalls gerne damit, Erkennbares zu verwenden und damit eine bestimmte Distanzwirkung herzustellen: „Auch in Elimo entwickelt sich das Purcell-Fragment vom fast nicht Erkennbaren mehr und mehr hin zum Erkennbaren.“

Ihr Zugang unterscheide sich auch stark von der slawischen Tradition, „wo immer eine Linie von den anderen ‚umsungen’ wird“: „Hier gibt es keine Hauptstimme. Die Linien sind unabhängig, aber sie korrespondieren sehr stark miteinander, und zwar natürlich auch aufgrund der Tonhöhe. Wenn ich sage, dass die Tonhöhe nicht so wichtig ist, heißt das nicht, dass Tonhöhe überhaupt keine Rolle spielt. Aber es gibt auch andere Gesetzmäßigkeiten, wie zum Beispiel in der byzantinischen Monodie die melodische Richtung eine größere Rolle spielt als eine definierbare Tonhöhe.“

Die bulgarische Volksmusik spiegle sich in „Elimo“ in einer „kantilenenartigen Disposition“, in diesen „langgezogenen, von der Stimme ausgehenden Melismen“. Zusätzlich interessiere sie an der bulgarischen Volksmusik die „sehr spezifische gepresste Stimmtechnik“, deren Feinheiten sie durch die klanglichen Möglichkeiten der Instrumente nachzuahmen versucht – und was sehr schwer zu notieren sei, so Alexandra Karastoyanova-Hermentin. Dabei geht es ihr nicht nur um Mikrotonalität, sondern eben umspezielle Arten des Trillers, des Gurgelns, des Kehlkopfsingens, um spezielle Vorschläge“: „Diese Überlieferung hat mit unserem Notationssystem nichts zu tun. Ich versuche, diese Feinheiten mit den neuen klanglichen Mitteln umsetzen – da geht es um verschiedene Schattierungen, um klangliche Effekte.“ Diese subtilen Veränderungen des Klanges seien für sie aber selten primär, so die Komponistin: „Sie bilden nicht den Ausgangspunkt, sondern sind das Resultat anderer musikalischer Ideen.“

Trotz Purcell und bulgarischen Anklängen im neuen Werk: „Ich würde aber trotzdem nicht sagen, dass für mich die Arbeit mit fremden Stilistiken zentral ist.“ Manchmal sei dieses Zurückgreifen auf bestimmte Stilistiken absolut unerklärlich: „Das Stück ‚Annäherung’, das ich für das Mozartjahr geschrieben habe, endet zum Beispiel mit Mahler. Mozart kommt darin nur in kodierter Form vor.“ Während ihres Studiums etwa habe sie einmal Staunen erregt, weil eines ihrer Stücke „überhaupt keine Einflüsse von außen“ aufgewiesen habe. Dennoch glaubt die Komponistin, „dass wir uns von der Tradition sowieso nicht lösen können“. Als ausgebildete Pianistin sei sie „durch sämtliche Interpretationsschulen gegangen“: „Das fließt automatisch ein, auch wenn man es nicht möchte. Ich finde es wichtig, die Tradition zu kennen - ob man sich dann konkret auf irgendetwas bezieht, ist von Werk zu Werk und von Komponist zu Komponist sehr unterschiedlich.“

Aus dem Jazz habe sie ebenfalls immer wieder „Stilistiken“ übernommen, und „wir können auch viel von der Popmusik lernen“. „Es gibt einfach etwas daran, was die Leute anspricht. Das hat vielleicht damit zu tun, dass das Erkennbare und vielleicht auch das leichter Verdauliche die Leute anspricht.

Das Wort „Elimo“, der Titel des heute Mittwoch (9.5.) uraufgeführten Werks habe übrigens ihre Tochter ständig wiederholt: „Ich wollte keine konkreten Bezüge zur Musik, ich wollte wirklich einen künstlichen Namen finden.“ außerdem bezeichne der Begriff im Lateinischen eine extrem widerstandsfähige, grasartige Pflanze, die am Strand wächst: „Und ich bin verrückt nach Pflanzen!“

„Elimo“ von Alexandra Karastoyanova-Hermentin wird heute Mittwoch (9.5.) um 20.30 Uhr-Konzert im Solitär uraufgeführt – beim Aspekte Festival „Inspiration Webern“ - www.aspekte-salzburg.at ; Download Programmbuch 2012
Das Interview für MICA führte Lena Draži?. Im Wortlaut lesen
Bild: MICA

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