Äpfel, Birnen, Zwetschgen - und eine schrumpelige Zitrone
KOMMENTAR
Von Reinhard Kriechbaum
16/08/10 Wie am Schnürchen hätte das laufen sollen: Daniel Richter ist da und nicht nur eine Ausstellung im Museum der Moderne und eine weitere beim prominenten Galeristen Thaddäus Ropac. Er malte das Bühnenbild für Alban Bergs Oper "Lulu". Künstler-Kollege Jonathan Meese stattete die zu Festspielbeginn uraufgeführte Oper "Dionysos" von Wolfgang Rihm aus.
Zu der in elitär-bürgerliche Höhen gekletterten studentischen Seilschaft aus den frühen neunziger Jahren rechnet auch Angela Richter, Ehefrau des Einen und "langjährige Wegbegleiterin" (Klaus Witzeling im YDP-Programmheft) des anderen. Auch sie in Salzburg zu beschäftigen in diesem Sommer, das war eine wirklich nette Geste der Festspielleitung.
Man vertraute der 38jährigen (nur so viel zum Etikett "Young Directors Project") Jon Fosses Sophokles-Eintopf-Version "Tod in Theben" an. Die Premiere war, wie auch von DrehPunktKultur befunden, von desaströser Trostlosigkeit. Man sah wohl Handlungsbedarf - ob Angela Richter selbst oder die Festspielleitung, bleibe dahingestellt. Jedenfalls gab es ab dem zweiten Aufführungstag nur noch eine um den "Antigone"-Abschnitt gekappte Version des Glühbirnengirlanden-Spektakels. Statt dessen eine Improvisation des bei der Premiere reichlich halbseidenen Ensembles (Gott, das auch noch!). Nicht auf Fosses Text fussend, aber angeblich akkordiert mit dem Autor. Immerhin war's ja die deutschsprachige Erstaufführung von "Tod in Theben", also auch für ihn nicht ganz unwichtig.
Und am dritten und vierten Aufführungstag (13. und 14. August) hatten dann die Besucher sogar die Wahl, gleich wieder zu gehen, mit Geld-zurück-Garantie. Auf Etikettenschwindel lässt man sich nicht mehr ein bei den Festspielen. Immerhin gab es in der Endzeit der Ära von Gérard Mortier tatsächlich eine Gerichtsklage, nachdem es Hans Neuenfels mit der "Fledermaus" nicht nur nach Meinung konservativer Geister allzu bunt getrieben hatte. Die Causa ist damals natürlich im Sand verlaufen. Aber drei Sophokles-Dramen anzukündigen und nur zwei zu spielen - das war den Festspielen jetzt offensichtlich zu heiß.
Thomas Oberender und seine fürs YDP abgestellte Kuratorin, die Luxemburgerin Martine Dennewald, haben jetzt einiges zu erklären. Angela Richters "Tod in Theben" ward immerhin stolz angepriesen nicht zuletzt deshalb, weil man damit das Young Directors Project auch als Produktionsort positioniert wissen wollte. Die meisten Dinge dort werden ja eingekauft. Der diesjährige Richter'sche "Familienbetrieb" in Salzburg wirft kein gutes Licht auf die von Montblanc mit ungewiss-hohen, aber ausreichenden Geldmitteln sehr verlässlich geförderte Festspielreihe.
Ach ja, Daniel Richters Salzburger Galerist Thaddäus Ropac sitzt in der Jury, die am Ende des Young Directors Project den Geldpreis mitsamt dem kostbaren Max-Reinhardt-Füllfederhalter vergibt. Das sieht auch ein wenig komisch aus, aber es macht in dem Fall nichts: Angela Richters Theaterarbeit und vor allem die Ensembleleistung waren sowieso zu schlecht, als dass "Tod in Theben" in Frage käme.
Bleiben im Rennen: Jakop Ahlboms visuell attraktive, inhaltlich leicht bekömmliche, alleweil bühnenwirksame "Innenschau". Weiters "Notre Terreur" von Sylvain Creuzevault (Paris), eine anspruchsvolle und tatsächlich neue (und heutige) Denkräume erschließende Paraphrase auf die französische Revolution im Spiegel von Robespierre. Als letztes ist ab Donnerstag (19.8.) "Mary Mother of Frankenstein" von Claude Schmitz (Lüttich/Belgien) zu sehen. Und am kommenden Samstag (21.8.) gibt's dann die begehrte Montblanc-Feder. Dass bei der Einkaufstour durch Europas gehobene Off-Bühnen im "republic" immer eigentlich Unvergleichbares landet und die Auswahl zwischen Äpfeln, Birnen und Zwetschgen getroffen wird - das ist nun mal so. Für die schrumpelige Zitrone steht "Tod in Theben".