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Aus der musikalischen Frischfleisch-Abteilung

KOMMENTAR

altVon Reinhard Kriechbaum

10/08/10 Dürfen wir bitte zaghaft daran erinnern: Es sind Festspiele. Musik-Festspiele vor allem. Solche, die ihren Gästen für Opernkarten gar nicht wenig Geld abverlangen. Da darf eine Aufführung ein gewisses Mindestniveau einfach nicht unterschreiten.

Es stimmt schon: Elektra-Sängerinnen kan man an den Fingern einer Hand abzählen. Eine Eva Marton (sie sang in Salzburg die Rolle 1989) und Hildegard Behrens (1996) findet man derzeit weit und breit nicht. Trotzdem war es ein durchaus gewagtes Unternehmen, einer Sängerin wie der Schwedin Iréne Theorin diesen Part als Debüt anzuvertrauen. Nicht nur ein Salzburg-, sondern ein Rollendebüt! Aber sei's drum, einen Versuch war es wert und das darf schon mal schief gehen. Immerhin ist Iréne Theorin als Wagner-Sängerin vielerorts gefragt und sie sang auch schon in Bayreuth. Da war ein Elektra-Experiment schon drin.

Ganz anders die Situation am Montag (9.8.) bei der "Don Giovanni"-Premiere. Sie entpuppte sich als musikalisch grenzwertig, und das hat in Sachen Mozart leider durchaus Methode. Gerade auf diesem Feld nämlich gerieren sich die Festspiele seit längerer Zeit (schon vor der Zeit Jürgen Flimms) als Talente-Finder. Oder besser gesagt: als Talente-Sucher. Oder vielleicht doch eher als Talente-Verheizer?

Die Sache krankt an zwei Punkten. Das Casting wirkt, gerade wenn eine Aufführung ins zweite, dritte Jahr geht, nicht selten beiläufig. Wer geht da eigentlich einkaufen in die Frischfleisch-Abteilung? Hat er oder sie einen ausreichenden musikalischen Horizont oder vertraut man auf die Strichcodes der jeweiligen Agenten?

Es kommen jedenfalls - der "Don Giovanni" heuer ist ein augenfälliges Beispiel - No-name-Sänger auf das denkbar exponierteste Podium. Sie geraten dort nicht selten an Dirigenten, die ihrerseits noch eher Berufserfahrung sammeln müssten. Einer wie Yannick Nézet-Seguin mag bereits einige Meriten gesammelt und auch seine Qualitäten haben - aber kapellmeisterliche Basisarbeit, Ensemblebildung, das Formen und Kneten von Stimmen zur stimmigen Gruppe: Damit ist so ein junger Hupf einfach überfordert. Man kann ihm nicht einmal ernsthaft einen Vorwurf machen.

Da hatten die drei Damen, die sich in "Orfeo ed Euridice" im (viel zu) großen Haus vokal abrackern, bessere Karten. Man mag Muti manchen Vorwurf machen - aber Sänger führen kann er. Elisabeth Kulman, Genia Kühmeier und Christiane Karg werden auf Händen und Watte durch die lokale Unbill getragen.

So geben die Opern-Festspielbühnen derzeit ein absonderliches Bild ab: Auf einer Seite höchste Professionalität. Die ist ja auch heute, Dienstag, bei "Roméo et Juliette" nicht nur von Netrebko-Seite zu erwarten. Sie findet sich auch im Team von Rihms "Dionysos" ebenso wie in der "Lulu". Auf der anderen Seite steht recht pausbäckige Vokal-Aktion.

Der Einspringer (der sowieso in elf Tagen die Rolle des Don Ottavio übernommen hätte) habe "einen Bammel" sagte Jürge Flimm vor der Vorstellung. Genau das ist es: Sänger werden, wie eine Packung Frischfleisch, eingekauft. Dann wird das Zellophan von der Packung genommen und man schaut mal, wie bekömmlich das Gericht dann wird. Mit dem Ablaufdatum hält man es sowieso nicht so genau. Als zu Festspiel-Ehren erhobener Jung-Sänger hat man alle Gründe, Bammel zu haben vor der eigenen Courage und der Verantwortungslosigkeit des Betriebs.

Zur "Don Giovanni"-Besprechung  {ln:Sehr zaghafte Stimmchen im Fichtenwald}

 

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