Ungeschützte Werkstätte
HINTERGRUND / INTERNATIONALE SOMMERAKADEMIE FÜR BILDENDE KUNST
10/07/12 Ein Atelier: Das ist so etwas wie die „geschützte Werkstätte“ eines Künstlers. Hier schöpft er, im Regelfall verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit. Bei der Internationalen Sommerakademie wird heuer das Atelier zum Thema gemacht. Und es werden Einblicke geboten.
„Als Ort künstlerischer Produktion ist das Atelier ein aufgeladener, mystifizierter Ort, an dem Kunst entsteht“, so die Leiterin der Internationalen Sommerakademie, Hildegund Amanshauser. Im Veranstaltungsprogramm der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst, die am 16. Juli beginnt, wird das „Atelier“ als künstlerischer Produktionsort zum Thema gemacht. „Hier erfindet der Künstler, die Künstlerin sich selbst“ – so die gängige Ansicht. Doch Ateliers können viele Orte sein. Der architektonisch definierte Raum wie das klassische Bildhauer- oder Maleratelier, ist nur eine Möglichkeit. „Der Speicherplatz auf dem Rechner, das Gemeinschaftsbüro, die Straße, die Stadt, die Ausstellung, das Café, all das und noch mehr kann heute – zumindest temporär – als Atelier fungieren bzw. als solches definiert werden, so Hildegund Amanshauser.
Seit den 1960er Jahren wird das klassische Konzept des Ateliers zunehmend in Frage gestellt, Daniel Buren proklamierte 1971 die Abschaffung des Ateliers, John Baldessaris „Post Studio-Klasse“ am California Institute of the Arts (CalArts) startete ein Jahr zuvor. Begriffe und Kunstrichtungen wie Ortsgebundenheit (site-specificity), Kunst im öffentlichen Raum, Installation, Appropriation, Performance oder Intervention sind Entwicklungen der letzten vierzig Jahre. Mit Neudefinitionen künstlerischer Arbeit bedeuten ist auch die Funktion des Ateliers als Werkstatt für physische Produktion neu bewertet worden. Mit jenen Ateliers, aus denen die „Plainairisten“ im 19. Jahrhundert aufgebrochen sind, um ihre Motive im gleißenden Sonnenlicht (oder auch im dunklen Nebelgrau) zu finden, hat das alles nur mehr wenig zu tun.
Das Veranstaltungsprogramm ist, anders als das Kursprogramm, für alle Interessierten frei zugänglich. Es verstehe sich „als substantieller Beitrag zur Vermittlung zeitgenössischer Kunst und Diskursformen in Salzburg“, betont man seitens der Sommerakademie. In einer neuen Reihe im Unipark Nonntal werden in jeweils zwei bis vier Kurzvorträgen Kunsthistoriker, Künstler und Kuratoren einzelne Aspekte aufgreifen. Im ersten Termin am 20. Juli geht es um die geschichte des Ateliers. Was für eine Spannbreite von alten Atelier-Fotografien aus der Mitte des 19. Jahrhunderts bis hin zur in Berlin lebenden Künstlerin Katharina Grosse, die sich 2007 eine „Ateliermaschine” bauen ließ, in der sie seitdem lebt und arbeitet.
Ob sich eine Künstlerin, ein Künstler ins Atelier als schützende Burg zurückzieht, oder ob die direkte Herausforderung im öffentlichen Raum gesucht wird, ob sich jemand Befruchtung im Außen sucht oder unmittelbar mit Menschen oder Situationen interagiert: Da stecken jeweils politische, soziologische und ästhetische Fragen dahhinter, die in den Vorträgen näher betrachtet werden sollen. So definierte Christian Jankowski ein Fernsehstudio oder eine Kirche als sein Atelier und Carey Young machte in der Arbeit „Everything you've heard is wrong“ 1999 den Speakers Corner in London zum Ort ihres Schaffens.
Dem Atelier-Schwerpunkt entsprechend wird die 2010 mit Galeriebesuchen begonnene Serie „Salzburg erkunden“ heuer in Ateliers führen – womit auch am Ort tätige Künstlerinnen und Künstler eingebunden werden.
Gut eingeführt sind die „Mittagsgespräche“: Alle lehrende Künstler und weitere externe Gäste präsentieren ihre Arbeitsweisen in Mittagsgesprächen an den Kursorten (Festung, Pernerinsel) und beschäftigen sich dabei auf sehr vielfältige Weise mit dem Thema Atelier.
Einige der Lehrenden bereichern natürlich auch wieder den Ausstellungssommer: Jo Ractliffe im Fotohof, Christoph Schäfer und Stephen Mathewson im kuntraum pro arte (Hallein), Lin Cheung im Dommuseum, Helen Schoene in der Galerie Eboran sowie (fast) alle Assistentinnen und Assistenten der Sommerakademie in der zweiteiligen, von Bärbel Hartje kuratierten Schau „Bei der Arbeit“ in der Galerie der KG FreiRäume in Hallein.