Kunstfälscherkurs und Humor in der Konzeptkunst
INTERNATIONALE SOMMERAKADEMIE FÜR BILDENDE KUNST 2012
24/01/12 „Wir stehen die ganze Zeit am Abgrund und glotzen hinunter, statt dass wir endlich einmal aktiv werden und hinunter springen.“ Das gelte für die derzeitige „Krise“, gelte aber auch für künstlerisches Schaffen, das oft den Mut erfordere, neue Wege zu gehen: Hildegund Amanshauser präsentierte das Programm der 59. Sommerakademie für Bildende Kunst. Motto „In den Abgrund springen und sogleich wieder auftauchen“.
Von Heidemarie Klabacher
Derzeit besuchen rund dreihundert Teilnehmer aus aller Welt 22 Kurse auf der Festung Hohensalzburg, in der Alten Saline Hallein und im Kiefer Steinbruch in Fürstenbrunn. Direktorin Hildegund Amanshauser stellt bei der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst Qualität vor Quantität: Sie habe die Zahl der Kurse von dreißig auf 22 gesenkt, die Teilnehmerzahl in den einzelnen Kursen in der Regel auf zwölf bis 15 beschränkt, und den Lehrenden klare Vorgaben gemacht, etwa die persönliche Anwesenheit betreffend. Zur Philosophie Hildegund Amanshauser gehört es auch, keine Lehrstuhlinhaber und Professoren sondern freie Künstlerinnen und Künstler als Lehrende zu engagieren. Das Ergebnis: „Extrem hohe Zufriedenheit bei den Kursteilnehmern.“
Die Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst (ISBK) Salzburg, 1953 von Oskar Kokoschka als "Schule des Sehens" gegründet, ist die älteste ihrer Art in Europa: „Die Geschichte zeigt, dass Krisen auch immer kreative Gegenbewegungen auslösen, dass gerade Krisen auch immer wieder Neues, bisher Un-Gewohntes, Un-Gedachtes hervorbringen“, so Kulturreferent Landeshauptmann-Stellvertreter David Brenner heute Dienstag (24.1.) beim Informationsgespräch mit Hildegund Amanshauser zum Motto „In den Abgrund springen und sogleich wieder auftauchen“.
Eng verbunden mit diesem Generalthema ist die Programmschiene „Politische künstlerische Praktiken“: Hier wird etwa die Bildhauerin und Performance-Künstlerin Tania Bruguera in ihrem Kurs "Political Timing Specific" eine Arbeitsmethode vorstellen, bei der das Kunstwerk im Augenblick seiner Entstehung oder Präsentation mit aktuellen politischen Verhältnissen „korreliert“.
Der Architekt Arno Brandlhuber verhandelt unter dem Titel "Crises, changes, clash – towards a new contemporaneity" Fragen der Teilhabe am gesellschaftlichen Raum. Christoph Schäfer sucht als Künstler und Aktivist in seinem Kurs „Zeichnen als Wunschmaschine“ nach "verschütteten Spuren des Imaginären in den Wänden des Alltags". Shaina Anand und Ashok Sukumaran, Teilnehmerinnen der Dokumenta XIII, beschäftigen sich in ihrem Kurs "Medienkunst im Überblick" mit künstlerischer Produktion in freien Radio-, Fernseh- und Videoformaten.
Die Themen „Erweiterte Skulptur, Cartoons, Humor und innovative Aktionen“ umfasst eine weitere Kursgruppe: Manfred Pernice stellt in seinem Kurs "O Tannenbaum" die Frage, was denn überhaupt und in welcher Form geschaffen werden solle. Olav Westphalen und Marcus Weimer (bekannt unter dem Pseudonym "Rattelschneck") interessieren sich für den „Witz und seine Beziehung zur Konzeptkunst".
"Archive" ist ein weitere Themenschiene: Christoph Draeger untersucht "Das Zeitalter der Collage" und den Einfluss der riesigen Bildarchive etwa des Internets auf die Kunst. Peter Friedl fragt dagegen in "Geschichte in Bildern", welche Spuren Geschichte in künstlerischen Medien hinterlässt.
Auch gemalt wird auf der Sommerakademie: etwa in Milena Dragicevics Kurs "Form Fatale" oder in Hanspeter Hofmanns Kurs "How to paint“. Mara Mattuschka hilft in ihrem Kurs "Gemaltes Licht" bei der Suche nach dem "ureigenen Bild". Katrin Plavcak dagegen bietet unter dem Titel "Stealing from the Best" einen "Kunstfälscherkurs". Matts Leiderstam wird sich mit dem Genre des "Selbstbildnisses" befassen.
„Künstlerische Techniken, Druckgrafik, Steinbildhauerei“ stehen ebenfalls wieder im Kursprogramm: Krystyna Piotrowska bietet ihren Kurs "Druck’s noch mal" an. Leya Mira Brander wird mit ihren Studenten „Zwischen Radierung und Skulptur" pendeln und aus zweidimensionalen Drucken schließlich Papierplastiken herstellen. Martin Schmidls Kurs heißt schlicht "Praxis Zeichnen". Im Steinbruch am Untersberg werden in diesem Jahr Hagbart Solløs und Susanne Tunn arbeiten.
Zwei Fotographiekurse werden angeboten: Katharina Sieverding ist 2012 nach einer dreijährigen Pause wieder zu Gast. Jo Ractliffe meint bietet den Kurs "Mehr als tausend Worte: Fotografie und Narration". Lin Cheung setzt ihren Kurs "Das soziale Leben des Schmucks" fort. Weiters gibt es zwei Kurse „Kuratorische Praxis“ geben: Juan A. Gaitan und Maria Lind sind der Überzeugung, dass diese heute über die Organisation von Ausstellungen hinausgeht. Und die Kuratorinnengruppe WHW untersucht in "Kunst hat immer Konsequenzen" neue Wege, Ausstellungen zu konzeptionieren. Das Rahmenprogramm umfasst wieder Mittagsgespräche, Vorträgen, Diskussionen, Vernissagen, und Galeriegespräche.
Erstmals ist die Internationale Sommerakademie Bildende Kunst selber Gegenstand eines Archivs: Video- und Audio-Dokumente von Vorträgen, Diskussionen oder Kursen, die in den letzten zwanzig Jahren im Rahmen der ISBK entstanden sind, konnten der Österreichischen Mediathek übergeben werden: Dieses zentrale Österreichische Audio- und Video-Archiv sammelt und bewahrt wichtige Zeitdokumente der österreichischen Geschichte.
Das Material von der Sommerakademie („Etwa fünfzehn Wäschekörbe voll“, so Hildegund Amanshauser) wird inventarisiert, teils digitalisiert und teils im Internet publiziert werden, so Kulturlandesrat Brenner. "Auch wenn viele dieser Mitschnitte in einem völlig anderen Kontext entstanden: Hier handelt es sich mittlerweile um wichtige gesellschaftspolitische und kunsthistorische Dokumente", so Kulturlandesrat Brenner. Durch die nun fixierte Archivierung in der Österreichischen Mediathek würden diese Dokumente, "die wertvolles österreichisches Kulturgut darstellen, technisch dauerhaft und professionell auch für kommende Generationen gesichert".