Der Schönberg-Chor feiert Pyjamaparty
REST DER WELT / GRAZ / THE FAIRY QUEEN
23/06/14 Wir kommen ermüdet aus einer Aufführung, in der es behend spuken sollte, die uns lustvoll irritieren will und vielleicht sogar hintersinnig bespaßen. Aber irgendwie will eben diese Leichtigkeit nicht in Gang kommen. Das Vergnügen scheint bei der diesjährigen Opernproduktion der „Styriarte“ auf Sommerschlaf gegangen zu sein.
Von Reinhard Kriechbaum
Sommernachtstraum alias Henry Purcells „The Fairy Queen“ also in Graz, in der Helmut-List-Halle. Eigenartige, fahl geschminkte Wesen mit erdfarbenen Pyjamas und dichten Filzfrisuren bevölkern die Szenerie. Es ist der verkleidete Arnold-Schönberg-Chor, der an diesem Abend auch tanzen muss. Kann er denn das auch?
Nein, natürlich nicht. Es ist ein aufgeregt zappelnder Bewegungschor, durch und durch ehrlich in der schlichten Bewegung. Auch insofern, als man sogar Sängerinnen ins unvorteilhafte Kostüm gepackt hat, die sich figürlich weder für solche Verkleidung und auch nicht so sehr zum Tanzschritt eignen. Aber es ist ja „Fairy Queen“ angesagt, also Sommernachtstraum. Wer sagt, dass man ausgerechnet in dieser Jahreszeit immer nur gut träumen muss?
An ausformuliertem Ehrgeiz hätte es nicht gefehlt: Philipp Harnoncourt hat sich – weil's ja keinen gesprochenen Shakespeare drumherum gibt – eine Gegenwartsstory einfallen lassen: Ein Paar geht auf Outdoor-Trip. Dazu tragen sie einen kleinen Röhrenfernseher mit terrestrischer Antenne mit sich (das Wissen um den Siegeszug der Tablets haben wir von den Harnoncourts eh nicht erwartet). Man findet sich beim Grillen – und wird von von allerlei allegorischem Figurenwerk weggelockt. Man übt sich in Liebe und Verwirrspielen und dergleichen – und landet schließlich wieder im Heute. Müde vom Ausflug in die Natur, verschläft das Paar und wird von den allegorischen Jahrerszeiten übers wahre Leben belehrt. Ein komischer Bursche im funkelnden Elvis-Kostüm hat da die führende Rolle übernommen, während sich der Schönberg-Chor mit allerlei Kleidungsrequisiten saisongemäß verkleidet. Ja, und dann soll natürlich geheiratet werden...
Das liest sich recht plausibel. Es hört sich auch gut an, was Altvater Harnoncourt da mit dem ihm eigenen bärbeißigen Sinn für Tanzrhythmen am Pult des Concentus Musicus an Stimmungsbildern entfacht. Stimmt schon, „The Fairy Queen“ könnte auch musikalisch etwas schwereloser klingen, duftiger. Aber Harnoncourt setzt auf extreme Gegensätze in diesen „Genrestücken“, die einmal mehr Schuhplattler sind und dann wieder ganz idyllische, in den Tempi (wie Nikolaus Harnoncourt es liebt) extrem verlangsamte „Träumereien“. Letztere überzeugen wesentlich mehr.
Es wird gut bis mäßig gut gesungen: Da ist der Pracht-Tenor Joshua Ellicott zu nennen, dann gleich die Sopranistinnen Dorothea Röschmann und Martina Janková. Auch der Countertenor Terry Wey macht als Lyriker gute Figur – und in einer Parodie-Transvestienummer im Duett mit Florian Bösch kommt wirklich Stimmung auf. Die Bass-Partien sind oft die karikierenden Beiträge. Boesch zaudert nicht. Weniger wohlmeinend könnte man Outrage dazu sagen. Elisabeth von Magnus hat stimmlich schon bessere Tage gesehen. Der Schönberg-Chor: Trotz Bewegungs-Zusatzpensum fein in Form.
Für eine konzertante Wiedergabe wären die Voraussetzungen also denkbar günstig gewesen. Was man zu sehen bekommt, will Tribbeln sein und ist doch nur verhatscht, verheddert sich zwischen zeitnahem Flair und geradezu kindisch-wortwörtlicher Umsetzung von Allegorien. Der Betrieb kommt nach wirklich jeder Szene zum Stillstand, es entwickelt sich kein Sog. Die Spielfläche: eine relativ steile Schräge (in die der Orchesterraum eingeschnitten ist), eine Holzwand aus zusammengenagelten Türen, Kastenteilen und anderem Altholz. Und ein paar Baumstamm-Teile.
Eine Pointe ist gut: Im Programmheft fand sich ein Einlagezettel, auf dem die Styriarte-Leitung bedauert, dass das Leading-Team dieser „Fairy Queen“, die in diesen Tagen in Graz zu sehen ist, „unübersichtlich“ dargestellt sei. Dank Zettel sehen wir also auf einen Blick, wem wir diesen lähmenden Abend zu verdanken haben: Philipp Harnoncourt (Inszenierung, Bühne, Licht), Anna Schrefl (Choreographie), Lilli Hartmann (Masken, Bühnenmalerei, Holzwand).