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Putzige Tierchen und brave Bürgersleut‘

REST DER WELT / WIEN / DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN

25/06/14 Die Wiener Staatsoper setzt ihren Leoš Janácek-Zyklus mit „Das schlaue Füchslein“ in einer von der Ausstattung her überreichen Neuinszenierung im Retro-Look fort. Regisseur ist noch einmal Altmeister Otto Schenk.

Von Oliver Schneider

080Nur strahlende Gesichter sieht man beim Verlassen der Staatsoper nach 90 pausenlosen Minuten. Die Jungen strahlen wegen der kriechenden, zirpenden und umhergackernden Tierschar – hervorragend gemimt von den Kindern der Opernschule und Studierenden der Ballettakademie der Wiener Staatsoper. Die Alten sind glücklich, endlich mal wieder eine „Neuproduktion“ zu sehen, bei der nichts hinterfragt oder zeitlich ins Heute transportiert wird. Wie es vor vierzig, fünfzig Jahren in der Oper noch war. Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden, auch so etwas soll auf einem abwechslungsreichen Spielplan Platz haben. Für das Haus hat der Publikumserfolg außerdem den wichtigen Nebeneffekt, dass er die Kasse bei einem Werk klingen lassen wird, das nicht zum Kanon der meistgespielten Opern gehört.

Durch seine Haushälterin auf die als 51-teilige Serie in seiner Leibzeitung erschienene Erzählung „Abenteuer der schlauen Füchsin Bystrouška“ von Rudolf Těsnohlídek aufmerksam gemacht, nahm Janácek diese als Grundlage für das Libretto seiner drittletzten Oper. Er schildert parabelartig die Konfrontationen zwischen Mensch- und Tierwelt am Leben der Füchsin Schlaukopf: Der Förster fängt sie als junges Tier für seine Kinder, aber sie kann mit List wieder in den Wald entfliehen, nicht ohne vorher Haus und Hof der Förstersfamilie gehörig durcheinander zu bringen. Im Wald findet sie den passenden Fuchs, man gründet eine Familie und lebt glücklich zusammen, bis der Wilderer Harašta die Füchsin tötet.

079Nicht, dass in der Tierwelt immer alles so friedlich wäre. Immerhin tötet die junge Füchsin den eitlen Hahn des Försters (schöne Wiederbegegnung mit Hans Zednik). Und sie treibt den trägen Dachs schlau aus seinem Bau heraus, um ihn selbst in Besitz zu nehmen. Janácek schildert die Tierwelt zwar als eine Gesellschaft mit zuweilen menschlichen Zügen, die sich aber ständig erneuert. Ganz anders verhält es sich mit den Menschen, die nur noch selbstgefällig vor sich hin leben und – wie Förster, Schulmeister und Pfarrer – ihre Zeit im Wirtshaus verbringen.

Wenn der Förster am Ende der Oper wie schon zu Beginn im Wald von einem Frosch aus dem Schlaf gerissen wird (dem Enkel!), dann wieder auf eine junge Füchsin trifft und sich Tier und Mensch bei Otto Schenk zärtlich umarmen, dann ist dies das Zeichen, dass zumindest der Förster (rollendeckend gespielt und gesungen von Gerald Finley) den ewigen Kreislauf der Natur verstanden und er seinen Frieden mit der Natur gefunden hat.

Wie man sieht, gäbe es einiges, zumindest sanft, szenisch zu deuten, was Katharina Thalbach 2006 in Zürich in einer ebenfalls verspielten naturalistischen Inszenierung sehr gut gelungen ist. Anders als jetzt bei Otto Schenk hatte man aber nicht das Gefühl, im Opernmuseum zu sitzen. Der von Amra Buchbinder geschaffene Wald auf der Bühne könnte auch von Günther Schneider-Siemssen stammen. Zugegeben, es macht Spass, den kriechenden Käfern, den Libellen, der stechenden Grille, den hüpfenden Fröschen und den aufgeregten Hühnern zuzuschauen, aber die Grausamkeit in der Natur wird geflissentlich ausgeblendet. Auch die Menschenwelt strahlt nur Idylle aus. Menschen ohne Perspektive verhalten sich anders. Natürlich kann sich jeder Zuschauer seine eigenen Gedanken machen. Aber ob diejenigen, die von einem „wunderschönen Abend“ sprechen, das auch tun, ist eine andere Frage. Die Staatsoper hat die Chance vergeben, bei der späten Erstaufführung einen szenisch gewichtigeren Beitrag zu produzieren.

078Doch wenigstens: Anders als viele junge Regisseure weiß Otto Schenk, wie man Menschen auf der Bühne führen muss, wie man arrangiert, wie man Wirkung erzielt. In Erinnerung bleiben zum Beispiel das Liebeswerben des Fuchses um die junge Füchsin und die anschließenden Hochzeitsfeierlichkeiten der Waldbewohner, aber auch der kurze Moment, in dem der Förster glaubt, in der Füchsin Schlaukopf eine schöne junge Frau zu sehen.

Alle Erwartungen erfüllt die musikalische Interpretation. Franz Welser-Möst hat sich vor kurzer Zeit auch in Cleveland mit dem „Füchslein“ auseinandergesetzt, dort konnte er in einem weniger klassischen Setting reüssieren. Wie bereits bei seinen vorangegangenen Janácek-Dirigaten gelingt dem Generalmusikdirektor ein fesselndes Plädoyer für einen immer noch zu selten aufgeführten Opernkomponisten. Transparent, schlank und auf die Stimmen der Kinder der Opernschule und der ebenso zum Teil kleinen Stimmen der Erwachsenen die gebotene Rücksicht nehmend, dafür prächtig aufblühend in den Zwischenspielen, so bringt er Janáceks Tonsprache zur Wirkung. Vielleicht dürfte manches rhythmisch noch geschärfter erklingen. Das Staatsopernorchester punktet mit seinem gewohnt seidigen Klang.

In der Rolle der Füchsin Schlaukopf gibt schließlich Chen Reiss ein darstellerisch hinreissendes Rollendebüt, stimmlich kommt sie – zumindest in der großen Staatsoper – an ihre Grenzen. Und das trotz aller Rücksichtnahme des Chefs.

Weitere Vorstellungen am 26. und 30. Juni, 8., 12., 14. und 17. November – www.wiener-staatsoper.at
Bilder: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

 

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