Zigeunerliebe im Irrenhaus
REST DER WELT / LEHAR FESTIVAL
24/07/12 Leonard Prinsloo, seit Jahren bewährte Regie-Persönlichkeit und künstlerischer Leiter des Jugendprogramms „Europerette“ beim Lehár-Festival, hat sich der szenischen Realisierung der selten gespielten „Zigeunerliebe“ von Franz Lehár angenommen.
Von Elisabeth Aumiller
In der Ischler Variation der Zigeunerliebe vegetiert Zorika, die Tochter des Bojaren Dragotin, in einer geschlossenen Anstalt und erinnert sich in einer Überlagerung von Wahn und Traum an ihr trauriges Schicksal, an dem sie zerbrochen ist: Sie war von der Begegnung mit dem Zigeuner Józsi derart fasziniert, dass sie sich für ihn und nicht für den ihr bestimmten reichen Jonel Bolescu entschied. Der Zigeuner verließ sie und zurückbleibt die Verbindung mit Jonel, die dann für beide zum Wahn führt und wieder an den Ausgangspunkt des Stückes anknüpft.
Mit dem ersten und letzten Bild gibt Leonard Prinsloo der Szene einen bestimmenden Rahmen, der den Handlungsverlauf in eine Färbung taucht, der man sich nicht entziehen kann. Wie eine gespenstische Drohung bleibt der Wahnwitz gegenwärtig. Mit parodierenden Elementen krankhafter Dekadenz werden der mythische Aspekt des Stückes und die in der Musik enthaltene emphatische Leidenschaft und romantische Gefühlsintensität ad absurdum geführt.
Der Regisseur vermittelt mit dieser Idee zwingend – aber man muss wohl willens sein, sich einzulassen auf diese Lesart, um sie als gewinnbringende Neuordnung von Lehárs operndramatischer Zigeuneroperette goutieren zu können.
Musikalisch wurde ein Fest prächtiger Lehármania gefeiert. Franz Lehárs opernhafte „Zigeunerliebe“ ist für das Festival in Bad Ischl in Sachen Sängerbesetzung eine Herausforderung, die glänzend bewältigt wurde. Solisten, Chor und Orchester unter der umsichtigen Leitung von Marius Burkert bieten dem Ohr den Zauber des klangreichen Lehár’schen Farbenreichtums in seiner opernorientierten Ausdruckskraft. Betörendes ungarisches Kolorit scheint immer wieder auf, besonders in den melancholisch gefühligen Violinsoli, in denen Marco Radonic als Double für Józsi virtuos und melodisch einschmeichelnd brilliert. Klangmalerei im Wechsel zwischen Dur und Moll, Zymbalklänge und zünftige Csárdásrhythmen bedienten den Ohrenschmaus und sogar eine ungarische Tárogató (ein der Klarinette verwandtes Instrument) gesellt sich zum Orchester.
Drei Tenöre braucht das Stück. Der Spielmann Józsi findet in Jevgenij Tarnuntsov heldische Tenorpräsenz mit Biss und klingendem Höhendrive. Darstellerisch macht er gute Figur, bleibt aber dem draufgängerischen Zigeuner einiges an Feuer schuldig. Der Jonel von Matjaz Stopinsek führt seinen lyrischen Tenor kontrolliert und bringt seine schöne Stimmfarbe zum Leuchten. Als Kajetán ist Thomas Malik der Buffo vom Dienst mit seiner etwas schräg geratenen Kinderschar, aber er ist ganz der Richtige für die erfrischende und mit hübschem Sopranlicht singende Jolán von Verena Barth-Jurca.
Einen stimmlichen Quantensprung scheint Miriam Portmanns Sopran gemacht zu haben. Ebenmäßig geführt in einer Linie bis in die Höhe, unforciert, dabei kraftvoll und spielend das Orchester überlichtend, steht sie als ausdrucksvolle Zorika mit ihrer stimmlichen Präsenz im Mittelpunkt des Geschehens. Als Gegenspielerin ihr ebenbürtig, reüssiert Mezzosopranistin Christa Ratzenböck in der dramatisch fordernden Sopranrolle der lasziven Ilona mit stimmlicher Verve und darstellerischem Profil. Tomaz Kovacic gibt dem Dragotin eine saftige Portion Komik. Makaber allgegenwärtig der Irrenarzt von Gerhard Balluch, akustisch allerdings von mangelnder Verständlichkeit. Die Dialoge, werden nur von den Damen wirklich überzeugend gesprochen. Sie ziehen sich arg in die Länge und nagen an der Spannung.
Die Zigeuner sind ein lustiges Völkchen fahrender Gaukler aus einem Wanderzirkus, in deren Masken und fantasievollen Kostümierungen sich Chor und Statisten pudelwohl zu fühlen scheinen.