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Das demokratische Filmfestival

REST DER WELT / KINO / VIENNALE

03/11/11 In einem österreichischen Filmmagazin war vor einiger Zeit über die Viennale zu lesen: „An diesem Filmfestival gibt es ausnahmsweise einmal gar nichts zu kritisieren.“

Von Andreas Öttl

altDieser Aussage eines ansonsten durchaus kritischen Filmjournalisten ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Die Viennale ist und bleibt das ideale Filmfestival, wie auch heuer wieder eindrucksvoll bestätigt wurde. Das Programm ist groß genug (über dreihundert Filme), um für Filmliebhaber jeglicher Art etwas zu bieten, bleibt aber dennoch überschaubar und wirkt nicht beliebig. Das Festival ist international anerkannt. Deshalb sind zahlreiche namhafte Regisseure und Schauspieler bei den Vorstellungen anwesend, und Größen des Weltkinos (heuer David Lynch) gestalten den Festival-Trailer. Es gibt keinen Wettbewerb, weshalb sich der Trubel in Grenzen hält und die oft ans Lächerliche grenzende Preisvergabe der so genannten A-Festivals (Cannes, Berlin, Venedig) ausbleibt. Die charmanten Kinos sorgen für Atmosphäre und sind allesamt in nächster Nähe in der Wiener Innenstadt gelegen. Und was das Allerwichtigste ist: über allem steht der demokratische Grundsatz „das Recht geht vom Volk aus“. In diesem Fall von der Masse an Cinephilen, die jedes Jahr die Viennale stürmt, als gäbe es danach keine Kinos mehr. Selbst Matinee-Vorstellungen von iranischen Filmen sind ausverkauft.

altAuch bei der Gala-Premiere zu „A Dangerous Method“ in Anwesenheit von Kultregisseur David Cronenberg war dies zu beobachten. Geladene Stargäste wie Karl Markovics teilten sich das Foyer des Gartenbaukinos mit Pressevertretern und Studenten, die sich geduldig um die letzten Restkarten anstellten und deren Schlange bis an den Ring reichte. Das dabei zwangsläufig entstehende Chaos nehmen die Festivalmacher wohl bewusst in Kauf um nur ja nicht den Ruf, ein „Publikumsfestival“ zu sein, aufs Spiel zu setzen. Auf die Idee, einen roten Teppich auszubreiten, würde man hier gar nicht erst kommen.

Diese egalitäre Sichtweise zeigt sich auch im Filmprogramm wo auch heuer wieder neben großen, massentauglichen Filmen wie Lars von Trier’s „Melancholia“ zahlreiche Geheimtipps zu entdecken waren. Besonders bei den Tributes zeigte sich der gute Geschmack von Festivaldirektor Hans Hurch, der hier bewusst Persönlichkeiten und Werke des Weltkinos ins Rampenlicht rückt, die sonst oft zu wenig Aufmerksamkeit erfahren: etwa die vom Briten Jeremy Thomas produzierten Autorenfilme, die Genrefilme von Soi Cheang aus Hongkong oder die dokumentarischen Essayfilme der US-Amerikanerin Lee Anne Schmitt.

Die Retrospektive war heuer der großartigen belgischen Regisseurin Chantal Akerman gewidmet. Leider musste sie ihren angekündigten Wien-Besuch aus persönlichen Gründen kurzfristig absagen, dennoch gehörte die (Wieder-)Entdeckung ihrer selten gezeigten Filme zu den absoluten Highlights der diesjährigen Viennale. Jeder Zuseher, der die 201 Minuten ihres Mammutwerks „Jeanne Dielman, 23 Quai du Commerce, 1080 Bruxelles“ im Filmmuseum durchgehalten hat, hat nun für alle Zeit einen anderen Blick auf das Kino und sein Potential als Kunstform.

Aufgrund der schieren Vielfalt des Programms ist es nahezu unmöglich, alle interessanten Filme zu sehen, die das Festival zu bieten hat. Noch dazu bieten die Wiener Programmkinos auch außerhalb der Viennale ein Filmprogramm, von dem manche Landeshauptstädte nur träumen können. Nach zehn Tagen verlässt man als Cineast daher wehmütig die Bundeshauptstadt. Von Salzburg aus ist Wien zwar – dem Railjet der ÖBB sei dank – mittlerweile in knapp 3 Stunden erreichbar. Was Filmkultur betrifft, sind die beiden Städte jedoch nach wie vor Lichtjahre voneinander entfernt...

Bild: Viennale / Klaus Vyhnalek (1), Alexander Tuma (1), Marthe Lemelle (1)

 

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