asdf
 

Thielemanns Orchester-Geschmeide

REST DER WELT / WIEN / RING DES NIBELUNGEN

04/11/11 Seitdem bekannt wurde, dass Christian Thielemann Wagners "Ring" an der Staatsoper dirigieren wird, waren die vier Vorstellungen, noch vor Bekanntgabe des Saisonprogramms, quasi ausverkauft. Es kamen kaum Karten in den freien Verkauf, zuletzt konnte man noch zu horrend hohen Preisen Sitzplätze ergattern.

Von Andreas Vogl

Etwas von dieser Hysterie war auch am Allerheiligen-Abend zu spüren, als das "Rheingold", der Vorabend der Tetralogie, über die Bühne ging. Leute winkten mit Hunderten im Foyer, Nervosität machte sich breit.

Als der Maestro dann in den Orchestergraben kam, wurden ihm gleich Vorschusslorbeeren zu teil, Bravos und großer Applaus schon vor Beginn der Vorstellung.

Und man spürte sofort, dass da im Orchester etwas Großartiges erarbeitet wurde (die Staatsoper setzt wohl absichtlich in diesen Tagen nur Ballett aufs Programm, damit man sich auf die Einstudierung des "Rings" konzentrieren kann). Die tiefen Es-Dur Klänge des Rheins gelangen perfekt, mit breiten Tempi, klar und durchsichtig begann diese Urzelle der Wagnerschen Welterzählung. Gut einstudierte Rheintöchter - vor allem die Floßhilde von Zoryana Kushpler ist hier zu nennen - tanzten mit weiten Tüchern gekleidet durch die grünen Fluten, ehe Alberich (Tomasz Konieczny) auf- oder eher untertauchte und stimmgewaltig, rau, nicht unbedingt schönstimmig, aber effektvoll das sagenumwobene Gold entwendet.

Die Götterwelt wird angeführt von Albert Dohmen, der für den ursprünglich vorgesehenen Juha Uusitalo alle drei Wotane bestreiten wird. Er ist der Bayreuther Wotan der beiden letzten Sommer unter Thielemann. Stimmlich bewältigt er den Abend tadellos, immer wieder dynamisch schattiert, vom Piano zu erhaben strahlenden Ausbrüchen, wie zum Beispiel am Schluss der Oper "Abendlich strahlt".

Seine Gattin Fricka ist Janina Baechle, mittlerweile vom Hausensemble auch an internationale Häuser berufen. Zusammen mit ihren Geschwistern Donner (Markus Eiche), Froh (Herbert Lippert) und Freia (Alexandra Reinprecht) überzeugt dieses Ensemble aber nicht restlos, etwas unausgewogen klingen manche Stimmen. Dafür sind die Riesen Fasolt und Fafner  wunderbar mit Lars Woldt und Ain Anger besetzt. Mimes kurzer Auftritt im dritten Bild wird von Wolfgang Schmidt fast schon tragikomisch interpretiert. Man hat ihn sowohl als Siegmund als auch als Siegfried gehört, die Stimme ist etwas glanzlos und brüchig geworden, passend für den keifenden Zwerg, aber irgendwie auch traurig, wie Stimmen sich abnutzen können.

Bleibt noch Loge: den hinterlistigen Feuergott singt Adrian Eröd. Ein Bariton für diese originäre Tenorpartie? Es mag gerechtfertigt sein, vor allem, wenn man eine so helle Stimme zur Verfügung hat. Adrian Eröd bringt, auch schauspielerisch, die schlüssigste Leistung des Abends, auch wenn er bei manchen Höhen gesanglich einige Male Probleme zeigt. Er bekam jedenfalls neben Thielemann den meisten Applaus.

Die Regie dieses "Rings" stammt von Sven-Eric Bechtholf, zukünftiger Schauspielchef der Salzburger Festspiele. Sein Zugang ist ästhetisch und eher konventionell. Er führt die Personen auf der spärlich ausgestatteten Bühne zu immer wieder schönen Bildern zusammen. Echte Charaktere vermisst man bis auf Loge aber trotzdem, beziehungsweise stehen klischeehafte Opernhaltungen an der Tagesordnung. Kindische Gesten (Humor im Stück?) wechseln sich mit einfallslosen Auftritten ab. So als die Erda (wunderschön Anna Larsson), aus einem Loch im Boden als Torso hinter einem der (Styropor)Felsen erscheint.

Das eigentliche Ereignis kommt aus dem Orchestergraben. Christian Thielemann versteht Wagners Musiksprache einfach auf geniale Weise. Er verdeckt Sänger nie mit dem Orchester, packt aber in den Zwischenspielen und am Schluss ordentlich zu und lässt die Wiener Philharmoniker fabelhaft, vor allem im Blech und den Wagnertuben, aufspielen. Man hört bei ihm, dass es ein Stück der Romantik in der Tradition eines Weber, auch Mendelssohn, ist. Und es wird nicht versucht, wie etwa bei Rattle an Ostern in Salzburg, Klangflächen zu schaffen. Der einzelne Moment, sogar Verzierungen werden hörbar.

Aufgrund der großen Nachfrage werden alle Vorstellungen des aktuellen „Ring des Nibelungen“-Zyklus live auf den Herbert von Karajan-Platz übertragen. Am 6. November „Die Walküre“, am 9. November „Siegfried“ und am 13. November „Götterdämmerung“. – www.wiener-staatsoper.at
Bilder: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014