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Klangzauberei katholisch

STYRIARTE / HARNONCOURT / STAINZ

11/07/11 "Caecilienmesse" steht außen auf dem Programmheft. Aber innen im Text wird was ganz anderes nachgewiesen: "Mit Haydn hat dieser Titel - wie so oft - nichts zu tun". Haydn selber habe die Messe C-Dur Hob. XXII:5 "Missa Cellensis" genannt - "Mariazeller Messe". Alles sehr interessant. Aber noch viel interessanter, was Nikolaus Harnoncourt, der Concentus Musicus Wien und der Arnold Schoenberg Chor daraus gemacht haben.

Von Heidemarie Klabacher

Kyrie und Gloria dauern gut vierzig Minuten. Diese beiden Teile hat der "junge" Haydn 1766 geschrieben - Credo, Sanctus/Benedictus, Agnus zwanzig Jahre später der "alte". Beides zusammen: ein Geniestreich, der Regalmeter theologischer Bücher ersetzt. Wenn Nikolaus Harnoncourt dirigiert.

Bei den vom Tenor her aufgebauten - immer wieder überraschend geheimnisvollen und zurückhaltenden "Sanctus"-Rufen - legten die Sopranistinnen des Arnold Schoenberg Chores feinstes Blattgold auf. Dass die Engel auf ihren Wolken nicht nur Jubilieren und Harfe spielen, sondern auch im Orchesterverband auftreten, weiß man seit Stainz 2011: feingliedriger und zarter ziseliert in den Geigenfiguren hat man den Orchesterpart des "Sanctus" aus dieser Messe noch nicht gehört.

Ein Hit - besser gesagt eine erschütternde Meditation - ist das "Bendedictus": Joseph Haydn hat den Einzug in Jerusalem keineswegs zum Anlass für Jubelgesänge genommen. Dass er aber quasi den Weg nach Golgatha vorweg komponiert hat, hat erst Nikolaus Harnoncourt verständlich und hörbar gemacht. Was können diese geheimnisvoll dunklen Klänge - dominiert von Horn und Fagott - anderes sein, als Ausblick auf das Leiden und Sterben. Wilde Verzweiflung (der Kelch geht nicht vorüber) gipfelt in wilden Akkorden, die Nikolaus Harnoncourt natürlich genussvoll auskosten und damit sein Publikum in den Kirchenbänken aufschrecken lässt. Die sanften Bendictus-Rufe des Chores - höchste Chorkultur in tragfähigem Pianissimo - verweisen dafür schon auf Auferstehung und Erlösung.

"Stainz" ist natürlich nicht nur ein Chor-, sondern immer auch ein Sängerfest, Musterbeispiel für die von Nikolaus Harnoncourt handverlesenen Solistenensembles. Vier Sänger teils über Jahre "zusammengesungen" unter der Leitung eines Dirigenten, der weiß, was er mitteilen will. Die Solosopranistin führt in der "Missa Cellensis" nicht das große Wort, hat aber umso kostbarere Einwürfe, die Bernarda Bobro mit Eleganz gestaltet hat. Ihre "Laudamus te"-Arie im Gloria war ein heiterer fröhlicher Lobgesang, passend zu den vielen Engeln und Putti in der Pfarrkirche Stainz. In Erinnerung bleiben aber vor allem ihre exponierten Credo-Rufe, die sich leitmotivisch über alle Teile des Glaubensbekenntnisses ziehen.

Wenn schon beim "Benedictus" von Haydn als Evangelist und Harnoncourt als Exeget die Rede war, gilt das auch für das "Et incarnatus est" im Credo, eine Tenor-Arie, in die Daniel Johannsen sprichwörtlichen tenoralen Schmelz legte (getragen von den sanft gedämpften Geigen). Dieser Abschnitt scheint im "homo factus est" alle Schmerzen dieser Menschwerdung vorwegzunehmen. Daniel Johannsen ist es gelungen, mit diesem einen fast aggressiven Aufschrei, einen dramatischen Kontrast zu seinen samtigen timbrereichen Kantilenen zu erzielen.

Traurig resigniert das "Crucifixus", gesungen von der Altistin Elisabeth von Magnus. Opernhaft höllenfahrtsmäßig dafür die Textzeile "sub Ponitio Pilato" des Bass-Solisten Florian Boesch (der dann in der Schicksalsmusik des "Agnus dei" so richtig aufdrehen durfte). Plötzlich wird die Alt-Partie verzweifelt aggressiv, der Bass tröstend sanft. Stimmen und Stimmungen kreuzen sich und richten das Kreuz aus dem Text zwischen sich auf. Klangzauberei - nicht weniger.

Bilder: Styriarte / Josef Polleross (1); Werner Kmetitsch (1)


 

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