Singend durch die Welt kommen
REST DER WELT / GRAZ / WM DER CHÖRE (1)
13/07/11 Wieder ist Graz nach den World Choir Games 2008 Schauplatz eines großen Chorwettbewerbes. Das deutsche Unternehmen Interkultur veranstaltet noch bis zum 17. Juli die 1. Chorweltmeisterschaft der Jugend und gleichzeitig den Grand Prix der Chormusik.
Von Wolfgang Stern
In der Grazer Innenstadt, vor allem rund um den Stephaniensaal, ist Jugend aus der ganzen Welt anzutreffen, in buntesten Trachten und schönen, interessanten Chorkleidungen. 120 Chöre aus rund 40 Ländern sind nach Graz gekommen, um sich international zu messen und um begehrte Titel zu singen. Bei der Eröffnung erwähnte der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl, dass die Stadt schon immer ein „Schnittpunkt von Religionen, Völkern und Kulturen“ gewesen und es deshalb gut sei, diese Tradition der Völkerverständigung mit der Jugend fort zu setzen. Trotz der ungewöhnlichen Hitze lebt die zweitgrößte Stadt Österreichs, fröhliche Kindergesichter vermitteln ein angenehmes Gefühl und zeigen, dass Musik, insbesondere das Chorsingen, jungen Menschen ein schönes Hobby bietet. Singend kann man auch die Welt kennen lernen.
Die meisten Ensembles kommen vom Gastgeberland Österreich, nämlich16 Chöre, gefolgt von Russland (12) und China (11). Insgesamt sind es rund 5000 Sängerinnen und Sänger, die in verschiedenen Kategorien um die Punkte und einen guten Rang singen.
Das Chortreffen in Graz findet in einer offenen und freien Atmosphäre statt und unterscheidet sich damit deutlich von den World Choir Games 2010 im chinesischen Shaoxing, wo extreme Sicherheitskontrollen bei den Choristen ähnlich wie auf einem Flughafen durchgeführt wurden und die Polizei nicht gerade zimperlich als Türsteher in Erscheinung trat. Da lernt man wieder schätzen, in diesem Teil der Welt zu leben. Die schöne Stadt, Weltkulturerbe, die alte Bausubstanz, das Flair der Innenstadt, die schöne Umgebung, „der schönste Saal, den ich je sah“, so eine junge Sängerin – Vieles wird auch den Teilnehmern aus dem fernen Osten in angenehmer Erinnerung bleiben. Lediglich beim Essen stellen sich die Chinesen nicht auf die europäische Küche um. So saßen die kleine Chinesen auf dem Asphaltboden vor dem Eingang zum Saal, aßen aus ihrer Plastikbox mit Stäbchen ihr chinese food und ließen sich dabei nicht stören. Im Foyer dirigierte derweilen eine nervöse Chorleiterin noch für sich selbst aus der Partitur ihre Stücke, einige Meter weiter tauschte man bereits Adressen aus. Viele Stimmungsbilder kann man einfangen.
Unterschiedlich ist das bisher Gehörte, wobei man angesichts der vielen Veranstaltungen nur einen Teil des Angebotes wahrnehmen kann. So waren ein chinesischer und ein indischer Kinderchor zu hören, die eigentlich bei solchen Veranstaltungen nichts verloren haben. Ein weiter Weg, ein anstrengender Ausflug, man müsste in einem solchen Fall die Empfehlung geben, eher im eigenen Umfeld aufzutreten. Der olympische Gedanke allein oder die Bekanntgabe möglichst hoher Teilnehmerzahlen sollten es wohl nicht sein. Doch großteils sind die Darbietungen erfreulicher Art. Ein ausgezeichneter Kinderchor aus Split oder der Taipei Fushing Private School Choir bleiben in Erinnerung.
Die Wettbewerbs- und sogenannten Galakonzerte sind öffentlich zugänglich, werden aber bei dem derzeitigen Überangebot an Veranstaltungen (es ist ja auch „Styriarte“) von der Bevölkerung viel zu wenig wahrgenommen. So war beim ersten Galakonzert der Stephaniensaal halb leer, bei einem Begegnungskonzert in Bad Waltersdorf gab es ganze zehn Zuhörer. Als ehemaliger Musikpädagoge vermisse ich schon die Chorspezialisten und Chorleiter insgesamt, die sich hier eine riesige Chance entgehen lassen. Immerhin ist der Termin schon rund zwei Jahre bekannt. Wann wird man wieder in Graz oder Österreich eine derartige Veranstaltung serviert bekommen, wo man direkte Begegnungen mit unterschiedlichen Kulturen und Ländern machen kann?
Übrigens: Im Grazer Congress ist es in den Sälen wesentlich kühler als draußen.