Pianistische Schwerstarbeit
TRAUNSTEINER SOMMERKONZERTE / FAZIL SAY
03/09/12 Der diesjährige Fokus ist auf Friedrich Gulda hin ausgerichtet. Aber auch ohne ihn passte das Programm, mit dem der mittlerweile 42jährige türkische Klaviervirtuose Fazil Say Sonntag (2.9.) im Kunstraum Klosterkirche nicht nur seine Fans begeisterte, gut in dieses Festival.
Von Horst Reischenböck
Fazil Say versteht sich irgendwie ähnlich dem just an Mozarts Geburtstag vor 12 Jahren verstorbenen Friedrich Gulda nicht bloß als Gratwanderer zwischen E- und U-Musik, sondern verschmilzt diese bewusst auch in seinen eigenen Kompositionen. Eine Handvoll davon präsentierte er am Ende seines Auftritts in Traustein, gleichsam als Kombination von gelegentlich orientalisch bestimmten Dreiklängen mit westlicher Musik. Wobei sich Say durchaus als veritabler Jazzpianist deklarierte, führte er doch von einem virtuosen „Hummelflug“ und Boogie-Rhythmen sowohl in eine gefühlvolle Paraphrase über Gershwins „Summertime“ wie auch in eigene Variationen über Paganinis berühmte 24. Violin-Caprice. Für Standing Ovations bedankte er sich mit seiner amüsanten Weiterspinnung des Rondo a la Turca aus der A-Dur-Sonate KV 300i (331) – Mozart würde das vielleicht heute auch so verschmitzt geschrieben haben …
Große Literatur, im Original aber für Geige, stand schon am Beginn: Johann Sebastian Bachs finale Chaconne der d-Moll-Partita BWV 1004. Allerdings in der grandiosen Umdeutung durch Ferruccio Busoni. Diese Bearbeitung hat Busoni wahrscheinlich 1892 geschaffen und sie war seine erste große Auseinandersetzung mit Musik des Thomaskantors, die damals ja kaum in Konzerten gespielt wurde. Keine Transkription, vielmehr eine Neudeutung, für die Busoni eigentlich sein Instrument, das Klavier, selbst fast schon als unzureichend erschien, weswegen er auch eine Orchesterversion skizzierte. Wuchtig, ausdrucksstark schon von den ersten Akkorden an, in die sich Fazil Say verbiss und wiederum genauso zart pedalisiert lyrische Momente auszukosten. Als Wechselbad der Gefühle schlichtweg grandios und die geforderte Virtuosität phänomenal umgesetzt.
Schwerstarbeit erlegte sich Fazil Say auch selbst auf. In Gestalt einer Eigentranskription dreier Teile aus Igor Strawinskys Ballettmusik „Pétrouchka“ von 1912. Fay widmete sich in seiner Fassung weniger den grotesken Elementen als primär den vollmundig tönenden und daher auch vollgriffig auszuführenden Jahrmarktszenen zu Beginn und Schluss, in denen er am Steinway gegebenenfalls brutal die akustischen Grenzen des Raums auslotete.
Nach der Pause fügte Fazil Say dankenswerterweise noch zusätzlich Rares, Bemerkenswertes hinzu. Ein Aspekt, den die diesjährigen Festspiele in Salzburg um Bernd Alois Zimmermanns Oper „Die Soldaten“ negierten, ist dessen Klaviermusik. 1952 entstand im Auftrag des Hessischen Rundfunks „Enchiridion“, Teil 2, und wurde im selben Jahr bei den Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt uraufgeführt: fünf fast schon aphoristische Miniaturen, die keinerlei Rezeptionsprobleme aufwerfen und deren Titel wie „Vigil“ oder „Matutin“ bezeugen, dass sich Zimmermann damals darin auf katholische Exerzitien bezog.