Musik zu den Kartagen
MUSIKGESCHICHTE / MONDSEE
04/04/12 In Salzburg hat man lange danach gesucht, und die Noten nicht gefunden. Dabei lagen sie nicht weit weg in Mondsee, in einer Museumsvitrine: die Antwortgesänge für die Trauermetten der Karwoche, komponiert von jenem Meister, der einst in Salzburg für die Musik zur Domweihe 1628 verantwortlich war: Stefano Bernardi.
Als 1998 liefen die Vorbereitungen für die 1250-Jahrfeier des 1791 aufgelösten Benediktinerstiftes Mondsee. Richard Schano, ein ambitionierter Kirchenmusiker in der Pfarre, kam ins Grübeln: Das Notenbild eines handschriftlichen Codex in einer der Museumsvitrinen im Betchor war als Graduale ausgewiesen - aber ein Choralbuch mit Noten auf fünf anstatt vier Linien und mit unterschiedlichen Schlüsseln? Das machte ihn neugierig, und prompt wurden die Stücke als jene "Responsoria Matutinalia" von Stefano Bernardi entlarvt, die Salzburger Musikwissenschafter bis dahin für verschollen hielten.
Der aus Verona stammende Stefano Bernardi (1577-1637) hat seine Karwochen-Gesänge für den Salzburger Dom komponiert. Warum kamen die Noten nach Mondsee? Die Erklärung ist profan. Der "Ingrossist" - das war jener, der Noten ab- bzw. reingeschrieben hat für die Aufführungen - hat das Konvolut nach dem Tod des Komponisten dem damaligen Mondseer Abt Maurus Schaller gewidmet. Er hat die Noten also in Salzburg geklaut ...
Das Ensemble St. Michael der Kantorei Mondsee hat Bernardis Responsorien (Antwortgesänge der Trauermetten für Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag) seit 1998 unter Leitung von Gottfried Holzer-Graf in Liturgie und Konzert mehrmals auszugsweise zu Gehör gebracht und in der Karwochenliturgie auch tatsächlich eingesetzt.
Nun konnte das gesamte Werk im Druck erscheinen, als Band 20 der "Denkmäler der Musik in Salzburg" (im Strube Verlag, München). Die vorliegende Ausgabe ist das Ergebnis der erfolgreichen Zusammenarbeit mit der Johann-Michael-Haydn-Gesellschaft Salzburg und dem Archiv der Erzdiözese Salzburg und seinem damaligen Leiter Ernst Hintermaier, der zur wissenschaftlichen Betreuung gewonnen werden konnte. Das Geld dafür kam von der EU (Gemeinschaftsinitiative LEADER+) sowie aus Mitteln des Bundes, des Landes Oberösterreich, der Gemeinden des Mondseelandes, der Stadt Salzburg und des Landes Salzburg.
Die Präsenztation dieses Notenbandes am Samstag (7.4.) ist eine gute Gelegenheit, auch das restaurierte und im Vorjahr erstmals wieder aufgestellte Heilige Grab der Pfarrkirche Mondsee anzuschauen: Es stammt aus dem Jahr 1889 und wurde durch die Firma Zbitek in Neustift bei Olmütz, Mähren, hergestellt. Solche Heiligen Gräber wurden nicht individuell gefertigt, sondern waren Katalogware: Die Firma verschickte Kirchen- und Liturgiebedarf, der Auftraggeber konnte geringe Änderungen vornehmen lassen. Trotzdem handelt es sich um eine äußerst seltene Anlage. Nur sechs ähnliche Kenotaphe Christi sind bekannt, unter anderem steht eines in der Kathedrale von Karthago in Tunis, Tunesien. (dpk-krie)