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20/08/10 Für vier Konzerte macht der Pianist Pierre-Laurent Aimard beim Festival "Alpenklassik" Station. Zum Auftakt spielte er mit seiner Schwester Valérie (Violoncello), mit der Pianistin Tamara Stefanovich und dem Kuss-Quartett Werke von Bach, Bartók und Dvo?ák.
Von Elisabeth Aumiller
"Carte Blanche á Pierre-Laurent Aimard" ist der erste Festival-Schwerpunkt bei der "Alpenklassik" (von 19. bis 29. August): ein verlockendes Angebot, an den Musiker ebenso wie ans Publikum. Den ersten Abend eröffnete Aimard mit Bachs Cellosonate in g-Moll BWV 1029. Er betonte er das „moderne“ Element in seiner Phrasierung und unterstrich damit, dass sich für ihn Bachs Musik eigentlich außerhalb zeitlicher Zuordnungen bewegt, er sie als zeitlos universell einschätzt. Die Cellistin Valérie Aimard lockte die melodischen Linien im Adagio-Satz an die Oberfläche und die Geschwister steigerten sich im nahtlos korrespondierenden Zusammenspiel zum polyphon ausgeleuchteten Finale.
Aus dem Jahr 1908 stammen die 14 Bagatellen für Klavier op.6 von Béla Bartók. Tamara Stefanovich war dem Werk eine faszinierende Interpretin. Mit fließender Leichtigkeit setzte sie eingängig die musikalischen Phrasen, spielte deutlich akzentuiert und pointiert, blieb bei aller Virtuosität sehr ausdrucksvoll. Die unterschiedlichen musikalischen Formen „porträtierte“ sie prägnant und tonmalerisch differenziert.
Ebenfalls vom Geist heimatlicher Volksmusik durchweht ist das 1887 entstandene Klavierquintett op.81 von Antonín Dvo?ák. Das Klangbild wirkt fröhlich hell, kennt auch melancholische Nostalgie und kann mit böhmischen Tanzrhythmen aufwarten: Das Kuss-Quartett mit Aimard am Flügel haben das aufs Lebendigste nachgezeichnet. Wunderbar einschmeichelnd mit samtener Tonqualität gab das Cello die romantisch melodische Linie vor, mit Seidenschimmer und Silberglanz, dabei substanzreichem Ton, führte die erste Violine herzhaft an und das ineinander verwobene melodische Flechtwerk des Quintetts war von fein tarierter Klangbalance und großer Homogenität. Aimard verstand es, auf dem Klavier zu „singen“. Wie Seufzer klangen die Streicher im ruhigen Satz und die romantische Empfindsamkeit berührte. Mitreißend dann die überschwängliche Vitalität im Final-Allegro.