Hinter die Töne blicken
NEU IM KINO / PIANOMANIA
16/08/10 Wer hätte gedacht, dass eine Kombination aus Heimwerker-Stichsäge und Tennisball fürs Klavierstimmen brauchbar ist? Der Klaviertechniker Stefan Knüpfer steht im Zentrum der preisgekrönten deutsch-österreichischen Dokumentation von Lilian Frank und Robert Cibis. Die Suche nach dem perfekten Klang.
Von Michael Russ
„Eine Frage“, sagt der Pianist Jean Laurent Aimard sehr höflich und Stefan Knüpfer weiß, jetzt wird es schwierig. Aimard ist höchst anspruchsvoll, was seine Instrumente betrifft, er sucht immer den perfekten Klang. Nicht umsonst werden seine Aufnahmen mit Preisen ausgezeichnet.
In einem Jahr stehen Aufnahmen für „Die Kunst der Fuge“ von Bach im Wiener Konzerthaus an und schon jetzt beginnen Knüpfer, Klaviertechniker bei Steinway Austria, und Aimard mit der Suche nach dem optimalen Konzertflügel. Klavier Nr. 109 fällt aus (Die Instrumente werden unter ihrer Produktionsnummer geführt.), denn es soll demnächst nach Australien verkauft werden. Ein harter Schlag für etliche Konzertpianisten, die für ihre Auftritte diesen Flügel bevorzugen.
Die anderen beiden Instrumente, die Knüpfer vorschlägt, finden nicht zu hundert Prozent Aimards Zustimmung und der Techniker muss nach Hamburg fahren, um ein passendes Klavier zu finden. Dort entscheidet er sich für Nr. 245, doch damit ist es nicht getan. Unzählige Feinabstimmungen sind vorzunehmen, Aimard wünscht sich ein Instrument, das - je nach Stück - an den Klang von Cembalo, Klaviercord oder Orgel herankommt. Für Knüpfer heißt das, alle ihm bekannten Kniffe auszupacken und einige neu zu entwickeln. Und es heißt auch, dass er trotzdem an den Aufnahmetagen unzählige Male zwischen Tontechnikraum und Konzertsaal auf- und ablaufen wird, um dort und da einzelne Töne noch feiner anzupassen.
Diese ein Jahr lang dauernde Arbeit mit Aimard bildet das Kernstück des Films. Eingeschoben werden Szenen über die Arbeit mit Alfred Brendel, Lang Lang und Igudesman & Joo. Das letzt genannte Duo unterstützt er auch mit verrückten technischen Ideen für ihre das klassische Genre karikierende Show.
Als Laie geht man mit einer gewissen Skepsis in den Film: Was soll an der Art von Tüftlerei schon spannend sein? Aber auch wenn man wenig Draht zur klassischen Musik hat, wird man angenehm überrascht. Es ist wirklich spannend zu sehen, was hinter den Kulissen eines Konzertes oder von Musikaufnahmen alles passieren kann und muss. Wer hätte gedacht, dass eine Kombination aus Heimwerker-Stichsäge und Tennisball fürs Klavierstimmen brauchbar ist und dass eine Geige ein Standbein eines Flügels ersetzen kann.
Auch Liebhaber der klassischen Musik werden in diesem Film viel Neues erfahren. Hier wird ein Blick hinter die Kulissen und hinter die Töne gewährt, der nicht - wie so oft – entzaubert, sondern dem Respekt vor den gebotenen Leistungen eine zusätzliche Note verleiht.