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Lange Nächte am Vierwaldstättersee

REST DER WELT / LUZERN FESTIVAL

15/09/11 Ein Streifzug durch das Lucerne Festival 2011: Benjamin Brittens „Sommernachtstraum“ punktete mit vielen feinsinnigen Effekten.- Klanggespenster geisterten durch den Raum, als die Künstlerin Charlotte Hug einen rituellen Raum voll eigenartiger Beschwörungen schuf.-Eine sehr kleine Nachtmusik bot die Uraufführung eines Streichquartetts von Georg Friedrich Haas.

VON JÖRN  FLORIAN  FUCHS

Wer Benjamin Brittens große Opernschlachtschiffe wie „Billy Budd“ oder „Peter Grimes“ kennt und schätzt, der reibt sich bei Brittens Vertonung von Shakespeares „Sommernachtstraum“ verwundert die Ohren. In den ersten beiden Akten bleibt die Klangsprache ziemlich ungriffig, es gibt ausgedehnte, matt schwingende Glissandi innerhalb eines stark fasrigen Klangnetzes, das immer wieder wie kurz vor dem Zerbröseln wirkt. Am Luzerner Theater wurde nun (in Koproduktion mit dem Lucerne Festival) Brittens sperriges Stück vom Dirigenten Howard Arman genau und, soweit das die Partitur zulässt, empathisch übersetzt. Auch Regisseur Alexander Schulin und das sehr homogene Sängerensemble (herausragend: Alexander Schneider als Oberon sowie Marc-Olivier Oetterli als Zettel) bemühten sich erfolgreich, Leben in die Bude zu bekommen. Shakespeares Liebeskomödie mit tragischem Unterton verlegt Schulin in eine Mischzeit aus Elisabethanischer Epoche, den 1960er Jahren und der Gegenwart. Schulin findet kluge Raumlösungen: Auf einer Bühnenschräge verwandelt sich die Szenerie beständig und führt vom biederen Wohnzimmer rasch in einen Wald oder in karges Niemandsland. Beim dritten Akt ist Britten mit Parodien der italienischen Oper und vielen feinsinnigen Effekten recht originell, in Luzern wurde vor allem das von einer Handwerkstruppe veranstaltete Theater im Theater zum absoluten Hit.

„Nacht“ lautete das diesjährige Festivalmotto und die Angebote dazu waren sehr reichhaltig. Sensationell gerieten etwa die Auftritte von Charlotte Hug. Die Schweizer Künstlerin setzte sich einem 40stündigen Schlafentzug aus und arbeitete währenddessen ununterbrochen. Die Ergebnisse waren beim Lucerne Festival zu erleben. Hugs Markenzeichen sind so genannte Son-Icons, das sind graphisch notierte Partiturgrundlagen, nach denen dann zum Beispiel improvisiert wird. Für das Luzerner Kunstmuseum schuf Hug eine multimediale Installation mit Zeichnungen, diversen Musikmodulen und Lichtstrahlern. Mehrfach performte sie auch selbst. Hugs Kreischen, Flüstern oder Obertongesang, ihre alte Fidel sowie Live-Elektronik verwandelten das Museum in einen rituellen Raum voll von eigenartigen Beschwörungen und Klanggespenstern. Irgendwie wirkte diese Alpenschamanin nicht nur wegen ihrer wilden Mähne wie Anne-Sophie Mutter auf Extasy. Mutter war übrigens auch zu Gast in Luzern und spielte ein zart duftendes Violinkonzert von Wolfgang Rihm.

Recht nächtlich ging es auch in Pierre Boulez’ Hommage an den französischen Dichter Stéphane Mallarmé zu. „Pli selon Pli“ nähert sich eindrücklich der Ideenwelt Mallarmés, ohne freilich dessen verrätselte, dunkel glühende Poetik restlos aufschlüsseln zu wollen – oder zu können. Nicht nur der Komponist und Dirigent Boulez, auch die jungen Musiker der Lucerne Festival Academy sowie die wundervolle Sopranistin Barbara Hannigan wurden am Ende gefeiert wie Popstars, und das bei einem höchste Hörkonzentration abverlangenden Werk neuer Musik.

Recht unterkomplex geriet dagegen die Uraufführung des siebten Streichquartetts von Georg Friedrich Haas. Das solide musizierende Arditti Quartet spielte geduldig die aus vielen anderen Stücken bekannten, immer recht ähnlichen Haas’schen Klagebögen, immerhin kam diesmal etwas wummernde Live-Elektronik hinzu. Eine doch sehr kleine Nachtmusik war das.

Den Kontrapunkt zu Haas lieferte Matthias Pintscher, der für die fulminante Solistin Julia Fischer ein neues Violinkonzert schrieb. Hier gingen Sinnlichkeit und kompositorischer Anspruch wirklich Hand in Hand.

Manch spannende Entdeckung konnte man abseits der großen Abendkonzerte machen. Die Gruppe Found Sound Nation unternahm eine mehrtägige Entdeckungsreise und sammelte Bilder und Töne aus Luzern und Umgebung. Entstanden sind äußerst originelle Clips, die das Zufällige, Abseitige unterhaltsam und intelligent zusammenfügen.

Weitere Infos zum Lucerne Festival: www.lucernefestival.ch
Zu Found Sound Nation: http://foundsoundnation.org/lucerne
Touristische Infos: www.luzern.com und www.myswitzerland.com
Hoteltipp: Zum Weissen Kreuz, ältestes Luzerner Hotel, sehr zentrale Lage (besonders geeignet für Freunde des Nachtlebens) www.hotel-wkreuz.ch
Vor den Konzerten empfiehlt sich eine Wanderung auf den Pilatus oder zur Rigi: www.pilatus.ch und www.rigi.ch
Besonderer Tipp für einen Kurztrip: die Seebodenalp www.seebodenalp.ch
Bilder: Lucerne Festival

 

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