Ein Klassiker am Uraufführungsort
TEATRO LA FENICE/LA TRAVIATA
14/09/11 Zehnmal gab es dieser Tage im Block außer Abonnement Verdis Traviata. Die Hälfte der Vorstellungen übernahm als Violetta Valéry die Sängerin Patrizia Ciofi, die am vergangenen Samstag mit rührenden Momenten überzeugte.VON WOLFGANG STERN
In Venedig hat es schon öfter in Theatern gebrannt. Nach 1773, wo das wichtigste Opernhaus Venedigs dem Feuer zum Opfer gefallen war, wurde 1792 das „La Fenice“ von einer Theatergesellschaft – meist Mitglieder einer Freimaurerloge – errichtet. Eine der bedeutendsten Bühnen Europas war geschaffen. Doch es dauerte nicht lange, bis 1836 ein Brand dieses Haus schwer beschädigte. Rasch wurden die Schäden behoben, eine Glanzzeit mit zahlreichen Urauffügrungen insbesondere von Giuseppe Verdi, folgte mit Ernani (1844), Attila (1846), Rigoletto (1851), Simon Boccanegra (1857) und La Traviata (1853). Im Rahmen der Musikbiennale kam es zu weiteren Uraufführungen u.a. von Igor Strawinsky (The Rake´s Progress 1951), Sergei Prokofjew (Der feurige Engel 1955), Benjamin Britten (The Turn of the Screw 1954), Luciano Berio (Allez-hop 1959), Luigi Nono („Intolleranza 1960“, 1961) u.a. Doch es kam nochmals anders, als man es wollte. Während Renovierungsarbeiten wurde das Gebäude am 29.1.1996 in Brand gesteckt. Und erst am 12.11.2004 war es soweit, dass wieder Oper gespielt werden konnte. Lorin Maazel leitete – fast selbstverständlich – eine Traviata-Aufführung (Regie wie 2011 Robert Carsen). Die Freude war groß, das La Fenice konnte wieder seinen normalen Betrieb aufnehmen und das Zelt auf Tronchetto verlassen.
Der gebürtige Kanadier Robert Carsen, vielgefragter Regisseur, stellt das Geschehen in die 1970-er Jahre. Wohnung, Bordell und Casino bleiben so wie die Party-Szene mit Crazy-Horse-Tänzern absolut gegenständlich. Alfredo ist ein typischer mit Fotoapparat ausgestatteter Paparazzo. Der zweite Akt im Wald scheint eher eine Sparvariante zu sein, wo man Geldscheine zu Hauf regnen lässt. In einem lagerhausähnlichen Verlies endet dann das Drama in einer sich in der Musik ständig steigernden Aufführung.
Da glaubt man zu Beginn, dass Patrizia Ciofi nicht den besten Tag hat. Doch das Konzept, musikalischer Höhepunkt soll der dritte Akt sein, geht bei ihr voll auf; rührende Momente in einer technisch sehr versierten Stimmführung, besonders in der Schlussszene, beeindrucken. Wie sie die Violetta darstellt, ist ebenso überzeugend.
Gianluca Terranova ist ein höhensicherer Alfredo und lässt sich von Ciofi bis zum Finale mitreißen. Claudio Sgura kommt als Vater Giorgio gut an, ist aber von der Qualität eines Renato Bruson noch weit entfernt. Eine Überbesetzung war Luca Dall´Amico als Arzt. Hier kann man von einem wunderbaren Timbre sprechen. Flora (Daniela Innamorati) und Annina (Sabrina Vianello) machten ihre Sache gut und hatten keine Probleme mit ihrem Part. Orchester und Chor hatten beste Betreuung unter Renato Palumbo, der sich als Verdikenner immer mehr profilieren kann.
Übrigens wird es mit Hilfe des Internets immer leichter, an Karten direkt im Opernhaus heran zu kommen. Am ehesten bei Vorstellungen im freien Verkauf (fuori abbonamento). Man sollte jedoch nicht zu hohe Erwartungen an die Aufführungen stellen. Auch in Venedig kocht man mit Wasser, der Sparstift ist hier ebenso zu verwenden wie anderswo. Von den Spielplänen unserer Theater sind wir sicher verwöhnter.