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38 Jahre neu

SOLITÄR / OENM UND PARTNER / URAUFFÜHRUNGEN

13/01/14 Drei Ensembles, drei Uraufführungen, drei Städte: Ein Musterbeispiel synergetischer Vernetzung für die zeitgenössischen Musik am Freitag (10.1.) im Solitär des Mozarteums.

Von Erhard Petzel

02538 Jahre als Zeitsprung bei Uraufführungen zeitgenössischer Musik sind ein interessanter Nebenaspekt dieses Konzerts. Der Grund: Friedrich Goldmanns „De Profundis“ stammt aus dem Jahr 1975. Die Besetzung des Werkes überfordert ein einzelnes Ensemble, sodass Jens Schubbe, der künstlerische Leiter des Collegium Novum Zürich (CNZ), nachdem er schon 2010 Einsicht in das Manuskript genommen hatte, das oenm und das Ensemble Contrechamps mit ins Boot holte.

Der Lohn für die Geburtswehen ist die spektakuläre Geburt eines prächtigen Babys. „De profundis“ also, aus den Tiefen eines im DDR-Wehrdienst als Reservist Eingezogenen. Geschrieben vielleicht zum Selbstschutz gegen den Anschlag aus persönlichkeitsbrechendem Stumpfsinn. Das ist der im Konzertraum des Solitär außerordentlich präsenten Musik durchaus anzuhören, selbst wenn man noch nicht die Begleitumstände dem Programmheft entnommen oder seine eigenen Assoziationen zur DDR aufgerufen hätte.

Marschartig lasten die dominierenden tiefen Register auf dieser Klanglandschaft einer musikalischen Seele, klingt assoziativ götterdämmrige Trauer nach Anti- oder Über-Siegfried aus dem Dreck des Wurms. Nach Klavierglockenklangsphären folgen Parforce-Ritte, ohne dass Tempowechsel den Marschcharakter infrage stellten, aus tiefem Gewummer erhebt sich das Tutti, ein weiterer Bogen endet in einer Sirene, darauf ein Lärmzirkus als 2. Satz. Zugrunde liegen dem Klangstab-Ostinati, die orgiastisch gesteigert in einer Generalpause verenden.

Darauf reiche Registerarbeit, in der ein Flötenblock dem Individuum Stimme gibt, das nach steter Verdrängung durch Gedröhn letztlich doch besteht. Sanfter Schluss in Akkorden des Schlagwerks. Goldmanns „De profundis“ war vielleicht das klanglich vielseitigste Werk des Abends, dem zum Schluss Bernd Alois Zimmermanns „Antiphonen“ für Viola und Kammerorchester von 1961 gegenüber stand. Ein fein ausziseliertes Viola-Konzert (Solist Patrick Jüdt), das im Mittelteil durch rezitierende Musiker besticht, Sprachen und Stimmen als organisch agogische Instrumente.

War Goldmann (1941–2009) durch Familienmitglieder vertreten, stellten sich Martin Jaggi und Klaus Lang persönlich dem Applaus für ihre uraufgeführten Werke. „Mehrgarh“ (Auftrag CNZ) spiegelt im Titel Jaggis Leidenschaft für die Ursprünge früher Kulturen. Das Ergebnis solcher Beschäftigung zeitigt ineinander organisch fortfließende Phrasen im delikaten Spannungsfeld von schwebend glockigem Schönklang und archaischem Flageolett-Gefiesel über intonationsengem Wimmergrund. Unbedingter Tipp für weite Archaik-Soundtracks!

Ebenfalls klangdicht im Mikroversum Klaus Langs „Australien“ (Auftrag oenm), auch hier ein hohes Maß an bildlicher Evokationskraft. In die harmonikaartigen Klangoszillationen wiederholen sich Intervallstrukturen, bis die Pauke als Fremdkörper einen zweiten Teil beginnt und beschließt, in dem man das Quietschen von Windrädern (Australo-Western?) zu hören bereit ist.

Fehlt noch Brian Ferneyhoughs „Incipitis“ von 1996 mit Tomoko Akasaka auf der Viola, um ein Fest der zeitgenössischen Musik zu würdigen, das seinesgleichen sucht. Die vereinte Leistung dreier Referenz-Ensembles unter der gewohnt hervorragenden Leitung von Johannes Kalitzke bot erfüllende Freude für das kundige und altersmäßig sehr breit gestreute Publikum.

Bild: oenm / Markus Sepperer

 

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