Verwachsene Pfade durch Hain und Flur
HERBERT SCHUCH / SCHUBERT-JANACEK-KLAVIERZYKLUS
13/01/14 Sensationelle Aussichten und spannende Einsichten: „Auf verwachsenem Pfade“ führte Herbert Schuch durch die vielfältigen pianistischen Landschaften von Franz Schubert und Leos Janácek. Das erste Konzert des sechsteiligen Klavierzyklus war ein Triumph für den Pianisten und ein Erlebnis für das Publikum.
Von Heidemarie Klabacher
„Auf verwachsenem Pfade“: So heißt der Zyklus, in dem Leos Janácek Klavierstücke eines Jahrzehnts - basierend auf Liedern und Tänzen seiner Böhmischen Heimat - zusammenfasst. Genrestücke vom dörflichen Tanzboden, fröhlich bis ekstatisch, sind ebenso dabei, wie kantable Lieder ohne Worte oder geradezu impressionistisch anmutende Stimmungsmalereien.
Schon die Stücktitel erwecken Bilder im Kopf, auch wenn es keine „Programmmusik“ ist: „Komm mit uns“ oder „Ein verwehtes Blatt“ hießen zwei Stücke des Eröffnungsabends am Freitag (9.1.) im Solitär. „Sie schwatzten wie Schwalben“ oder „Es stockt das Wort“ werden etwa im dritten Konzert erklingen: Wie ein roter Faden werden sich diese klang-mächtigen Miniaturen durch die fünf Konzerte des Zyklus ziehen, der mit den drei großen Schubert-Sonaten D 958 bis 960 im Jänner nächsten Jahres seinen Abschluss und Höhepunkt finden wird.
Am Eröffnungsabend hat Herbert Schuch Klavierstücke von Janacek und Schubert ohne Applauspausen quasi als einzigen großen Werkblock durchgespielt. Damit hat er eine geradezu beängstigend intensive Sogwirkung erzielt und seinem Publikum in ein hochdramatisches Wechselbad pianistischer Stimmungen geschenkt: eine - bei aller Virtuosität und Brillanz - beinahe introvertiert sich gekehrte pianistische Sternstunde. Ein Geschenk.
Die ersten drei der Moments Musicaux op. 94 D 780 und die Elf Ecossaisen für Klavier D 781 verschmolzen mit den ersten drei Stücken des Zyklus „Auf verwachsenem Pfade“ und der Nummer 2 der Lachischen Tänze (einem ausgewachsenen Feuerwerk!) von Janácek zu einem einzigen Klanggemälde: Herbert Schuch outete die beiden Melodiker Schubert und Janácek über die Epochen hinweg als eng verwandte Brüder in Geist und Klang. Ein Erlebnis.
Ein Erlebnis waren aber auch die Interpretationen der beiden Sontaten C-Dur D 840 und a-Moll D 845 mit denen Schuch den Mittelblock quasi in einen überreichen Goldrahmen stellte: Delikates Figurenwerk spannungsvoll aufgebaut zu mächtigen dramatischen Gebilden, typische Schubert’sche elegische Melodien über unruhig wandernden Bässen, erschütternde Stimmungs- und Klangfarbenwechsel oft innerhalb einer einzigen Phrase: der pianistischen Wunder waren an diesem Abend unzählige. Allein wie Schuch das Thema im zweiten Satz der „Grande Sonate“ D 485 vom schlichten Lied aufblühen ließ zum strahlenden Frühlingssonnenschein, wird in Erinnerung bleiben – von den unendlich facettenreich gespielten Variationen ganz zu schweigen.
Herbert Schuch ist ein Klangmagier. Strahlend klar und makellos perlen die Töne, sei es in der ruhigen Kantilene oder im dramatischen Lauf. Manchmal scheint der Geist von John Cage im Vorüberhuschen einzelne Tasten zu präparieren – so vielfältig farben- und facettereich ist sein Klang.