Zum Gedenken
CD-KRITIK / FESTSPIELDOKUMENTE / WEISSENBERG, FISCHER-DIESKAU
30/08/12 Der „Bewahrung des Unwiederholbaren“ tragen die Salzburger Festspiele alljährlich immer wieder auch Rechnung, indem sie Live-Mitschnitte des ORF veröffentlichen. Heuer u. a. zum Gedenken an zwei Künstler, die dieses Jahr verstarben: Alexis Weissenberg und Dietrich Fischer-Dieskau.
Von Horst Reischenböck
An den bedeutenden bulgarischen Pianisten Alexis Weissenberg erinnert der Mitschnitt des 2. Solistenkonzerts vom 7. August 1972 aus dem Großen Saal des Mozarteums. Damals ein Programm, das ob des interpretatorischen Ansatzes nicht unproblematisch eingestuft wurde. Zwar wurde Weissenbergs stupende Klaviertechnik uneingeschränkt bewundert, andererseits konstatierten Rezensenten in Maurice Ravels „Le Tombeau de Couperin“ und in der C-Dur-Fantasie op. 17 von Robert Schumann einen Mangel an „musikalisch-virtuosem Nutzen“ oder „Emotion im Sinne unmittelbarer Spontaneität“. Man stellte auch die Frage gestellt, „wie weit diese Art der Interpretation den Anspruch lebendiger Musik erfüllt“.
Posthum gesehen ist es phänomenal und einmalig, wie Weissenberg kalkuliertes Risiko einging, und Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ Revue passieren ließ. Wer redet da noch von Orchesterfassungen? In die Doppel-CDs sind auch alle fünf heftig akklamierten Zugaben eingebunden, unter denen besonders Frederic Chopins nachgelassenes cis-Moll-Nocturne und die herb wie kaum je genommene Rhapsodie g-Moll von Johannes Brahms beeindrucken.
Alexis Weissenberg starb heuer am 8. Jänner, am 18. Mai Dietrich Fischer-Dieskau. Die Kunst dieses großen Vokalisten, dessen internationale Karriere eigentlich in Salzburg ihren Anfang nahm, wurde bereits in den vergangenen Jahren hinlänglich Reverenz bezeugt. Als Dirigent gestaltete er am 6. August 2006 zusammen mit dem Mozarteumorchester eine Matinee, die damals noch allein dem Genius loci gewidmet war.
Sein Dirigieren war traditionell und sicherlich an großen Vorbildern, unter denen Fischer-Dieskau sang, geschult und von ihnen beeinflusst. Entsprechend ernst und wuchtig kommen Adagio und Fuge in c-Moll KV 546 daher, etwas leichter gewichtet wirken die beiden Symphonien, das D-Dur-Jugendwerk KV 202 und, damals zum publikumswirksamen Kehraus, die eigentlich dreiteilige Ouvertüre in G-Dur KV 318.
Besonderer Rang kommt aber der absoluten Partnerschaft im Geiste mit dem russischen Pianisten Konstantin Lifschitz zu. Es ist nach wie vor einnehmend, wie sich inklusive Orchester alle allein schon in den Ecksätzen dem Klavierkonzert B-Dur KV 456 ergeben. Und noch mehr sinnen sie in schönster Übereinstimmung der Traurigkeit des Andante nach, das stimmungsmäßig die Barbarina-Arie aus dem „Figaro“ vorwegnimmt.