Aus Friedrichs Musik-Experimentalstudio
CD-KRITIK / DOROTHEE OBERLINGER
05/04/17 Die Blockflöte hatte ausgedient, die Querflöte lief ihr ob besserer dynamischer Möglichkeiten den Rang ab: Die Wirklichkeit ist entschieden differenzierter als dieser arg simplifizierende Befund im Nachhinein. Auch für den Quantz-Verehrer Friedrich den Großen war die Blockflöte vermutlich kein Ding aus der Musikwelt von gestern.
Von Reinhard Kriechbaum
Mag sein, dass ihm nicht entfernt bewusst war, dass ihre vorerst letzte Stunde schon eingeläutet war. Auf diese Idee bringt einen jedenfalls Dorothee Oberlinger mit ihrer neuen CD „Rococo – Musique à Sanssouci“. So überzeugend Johann Joachim Quantz wohl die Lippen spitzte für die Traversflöte, klingt seine Sarabande in G-Dur (mit gediegenen Variationen) auf der Blockflöte nicht minder plausibel. Sie stammt aus Quantz' in Schweden überlieferten „Fantasien und Preludien“ für Flöte solo, ebenso das spritzige Vivace in B-Dur, für das Dorothée Oberlinger zur Sopranflöte greift.
Die Blockflöte war damals also keineswegs k.o., nicht mal angezählt. Eher nimmt man aus der kreativen Werkauswahl Dorothee Oberlingers den Eindruck mit, dass die Musiker- und Komponistenschar am Berliner Königshof gerade noch einmal so recht ausholte zum Experiment. Was war der Blockflöte noch zuzutrauen, was konnte man ihr zumuten im neuen stilistischen Umfeld? Johann Gottlieb Janitsch (1708-1763) wird eher nur Insidern bekannt sein. Sein „Quadro in G-Dur“ für Blockflöte, Oboe, Violine und Basso continuo lotet Möglichkeiten aus, spielt in „barockem“ Kontrapunkt mit Virtuosität genau so wie mit Motiven des empfindsamen Stils.
Wessen Vorlieben mag Carl Philip Emanuel Bach entsprochen haben, als er ein Trio für Baßblockflöte, Bratsche und Basso continuo schrieb? Jedenfalls ist's ein charismatisches Stück, das keineswegs aufs halbdunkle Timbre abzielt. Irgendwie möchte man sich da Friedrich den Großen in seinem Musiksalon wie in einem Experimentalstudio für (damals) Neue Musik vorstellen.
Mit ihrem „Ensemble 1700“ unternimmt Dorothée Oberlinger einen aussagekräftigen und vor allem auch ob der unterschiedlichen Besetzungen abwechslungsreichen Streifzug. Händel ist möglicherweise Autor eines Concerto doppio in c-Moll für Blockflöte und Fagott. Makiko Kurabayashi agiert beweglich und punktgenau wenn es darum geht, auf Oberlingers variantenreiche Artikulationen und die Verzierungen zu reagieren. Der Finalsatz kommt nur scheinbar als ur-gemütliches Menuetto daher, er beginnt zu sprühen, wenn sich die Soloinstrumente mit Rasanz einbringen. Der Geiger Hiro Kurosaki ist eloquenter Partner in einem Doppelkonzert von Johann Gottlieb Graun. Im Konzert in d-Moll von Ernst Gottlieb Baron ist die Laute absolut mehr gefordert als die Blockflöte, was nicht weiter verwundert, war Baron doch Theorbist am Hofe des Großen Fritz.
Gottfried Finger ist mit einem „Ground“ vertreten, die Variationenkette trifft zwar dem empfindsamen Zeit, aber Friedrichs Thronbesteigung und den Bau von Sanssouci hat dieser Komponist nicht mehr erlebt. Das Konzert in B-Dur von Johann Christian Schultze (1733 bis 1813) könnte eines der letzten Solokonzerte für die Blockflöte (mit Entstehungsdatum 1768) sein. Das etwas ungehobelte Hauptthema im Eröffnungssatz stimmt misstrauisch und mag Friedrich dem Großen und seiner „modernen“ Musikerschar gar altmodisch erschienen sein. Ein Gutteil der Stücke sind Ersteinspielungen.
Rococo. Musique à Sanssouci. Dorothée Oberlinger (Blockflöte), Ensemble 1700. deutsche harmonia mundi
Dorothee Oberlinger ist auch bei den heutigen „Klangreisen“ im Solitär der Universität Mozarteum dabei. „Originalklang pur“ ist Motto des hochrangig besetzten Konzerts heute Mittwoch (5.4.), um 19.30 Uhr im Solitär der Universität Mozarteum. Weitere Mitwirkende sind Hansjörg Angerer (Historisches Naturhorn / Barockhorn), Hiro Kurosaki (Barockvioline) und Pavel Gililov (Klavier) – www.uni-mozarteum.at