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Ein Königs-Requiem vor erlauchtem Publikum

CD-KRITIK / NEUKOMM / REQUIEM

23/03/17 Im Wiener Stephansdom, am 21. Jänner 1815: Über dreihundert Sängerinnen und Sänger sind aufgeboten, um eine Gedächtnismesse anzustimmen für den im Zuge der Französischen Revolution enthaupteten Ludwig XVI.

Von Reinhard Kriechbaum

Der Staatsmann Talleyrand, damals einer der Fädenzieher bei der Neuordnung Europas nach dem Sieg über Napoleon, hatte das Requiem bei seinem Hauskomponisten in Auftrag gegeben, der ihm zwanzig Jahre lang diente: Sigismund Neukomm (1778 bis 1858). Zwei Dirigenten waren aufgeboten für das doppelchörige Werk und die Musikermassen, Antonio Salieri und der Komponist selbst. Für ihn bedeutete die Aufführung vor all den erlauchten Teilnehmern am Wiener Kongress gewiss nicht wenig Eigenwerbung.

Dieses effektvolle Werk haben nun Jean-Claude Malgoire, der Choeur de Chambre de Namur und La grande écurie et la chambre du Roy aufgenommen und erinnern damit nachdrücklich an den Komponisten, dem der Ruhm bei den Zeitgenossen sicher war, der aber umso gründlicher vergessen ward. „Ritter von Neukomm“ konnte er sich nennen, nachdem er die Musik zum Einzug Ludwig XVIII. in Paris nach dem Sieg über Napoleon beigetragen und vom neuen König zum Ritter der Ehrenlegion ernannt worden war. Für „Staatsmusiken“ galt Neukomm in Frankreich als gute Adresse.

Kein schlechter Start ins Komponisten- und Musikerleben: In Salzburg war Neukomm Schüler von Michael Haydn gewesen, der ihn an seinen Bruder Joseph weiter empfahl. Neukomm erstellte für diesen unter anderen die Klavierauszüge der „Schöpfung“ und der „Jahreszeiten“. Neukomm war ein Globetrotter, erst Operndirektor des deutschen Theaters in St. Petersburg, dann Musiker im Umkreis des portugiesischen Königsfamilie in Brasilien (sie hatte sich angesichts der napoleonischen Wirrnisse nach Südamerika abgesetzt). Dann folgten zwanzig Jahre im Dienst des Fürsten Talleyrand. Auch späterhin war Sigismund Ritter von Neukomm fleißig unterwegs.

Die Manuskripte von zweitausend Werken sollen allein in der Pariser Nationalbibliothek liegen. Rund fünfzig Messen gibt es von Neukomms Feder, allein fünf Requien liegen im Archiv des Erzstifts St. Peter.

Betrachtet man Anlass und Aufführungsumstände, muss man Neukomm wohl Respekt zollen für dieses knapp fünfzigminütige „Zielgruppenstück“: wirkungssichere Homophonie, die den Kirchenraum ohne Zweifel füllt. Sparsam, wie würzend ist die Polyphonie eingesetzt. Es fehlen nicht markige Effekte an den logischen Textstellen des Dies irae (Tuba mirum, Confutatis maledictis). Gerade am Dies irae ist unmittelbar abzulesen, wie Neukomm, ein bekennender Mozart-Verehrer quasi der ersten Stunde, gerade zu dessen Requiem gebotenen Abstand hielt und nie ins Plagiat driftete. Übrigens hat auch Neukomm eine Komplettierung von Mozarts Fragment angefertigt und ein eigenes „Libera“ dazubeigesteuert. Bei den letzten „Dialogen“ der Stiftung Ende November 2016 war das hierorts zu hören.

Neukomm sah für sein Requiem nur doppelchörige Vokalbesetzung vor, gab aber sehr konkrete Anweisungen, wie er sich eine Mitwirkung von Solisten und Instrumentalisten vorstellte. Das handhabt Jean-Claude Malgoire unschematisch und flexibel, er kontrastiert bewusst breit gewählte Tempi mit akkurat vorwärts drängenden Abschnitten, als guter Dramaturg hilft er der Wirkung nach. Die hinkt dann freilich schon dem Requiem von Luigi Cherubini ein wenig hinterher. Auch dieser hat sein Requiem für den Todestag Ludwigs XVI. geschrieben. Aber das war zwei Jahre später.

Sigismund Neukomm: Requiem à la mémoire de Louis XVI. La grande écurie et la chambre du Roy, Ltg. Jean-Claude Malgoire. ALPHA 966

 

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