Vom Menschen, wie er ist - skurill
LITERATURHAUS / KURKOW
03/03/10 Sein Vater schenkte ihm einst drei Hamster, erzählt Andrej Kurkow. Der erste wurde vom Vater unglückshaft erdrückt, der zweite von der Katze gefressen. Der dritte verstarb, wohl weil er sich nun so allein fühlte. Der kleine Junge Andrej widmete ihm sein allererstes Gedicht: „Über die Einsamkeit“.
Von Ulrike Guggenberger
Kurkow schreibt keine politischen Bücher, aber seine Haltung als politisch denkender Mensch blitzt unübersehbar immer wieder durch.
Andrej Kurkow wurde 1961 in St. Petersburg geboren. Die Familie übersiedelte dann nach Kiew, wo der Schriftsteller nach wie vor das halbe Jahr über lebt. Sein zweiter Wohnsitz ist London. Kurkow schreibt ausnahmslos in Russisch, wiewohl 2004 seine Bücher in Russland vorübergehend aus den Verlagen genommen wurden. Eine Maßnahme die mittlerweile wieder rückgängig gemacht wurde.
Kurkows Charaktere bewegen sich vor dem Hintergrundbild der Ukraine in der postsowjetischen Gesellschaft, die sich zunehmend mehr am westlichen Ideal orientiert. „Die Menschen denken wie im Westen - mit einer Ausnahme - niemand respektiert die Gesetze.“ Sie sind allesamt Individualisten, die der Literat in seinen Büchern schildert. Sie fallen nicht als solche auf, sie sind es einfach. Alle. „Es ist die ukrainische Mentalität“, sagt Kurkow.
Semjon, Veronika und Darja Iwanowna lernten die Anwesenden an diesem Abend im Literaturhaus näher kennen. „Die Geschichten können nicht enden, weil jede eine Fortsetzung hat“, damit führte Anna Artwinska in die Lesung aus „Der Milchmann in der Nacht“ ein.
Ja, die Geschichte begann in einer Winternacht und setzt sich bis heute fort, das spürten alle, die gekommen waren, um Kurkow zuzuhören. Und Kurkow versteht sich zudem darauf, das geschriebene Wort mit einer weiteren künstlerischen Qualität, dem freien Klavierspiel virtuos in Dialog zu bringen – die ganz besondere Überraschung für die Zuhörer des Abends.
Mit einem bübischen Augenzwinkern überspringt Kurkow die literarischen Gattungen. Komödie, Satire, Kriminalroman wechselt zwischen Realismus und Surrealität und halten den Leser in atemlos-angespanntem Schwebezustand. Skurrile Eigenheiten seiner Protagonisten schätzt er ebenso wie er auch alle seine Geschichten aus dem puren Leben schöpft. Seine Erzählungen wachsen auf dem Hintergrund eines Optimismus voll tiefem Ernst und selbstverständlicher, ehrlicher Kenntnis und Akzeptanz des Menschen, wie er eben ist.